Die intensivierte-konventionelle-Insulintherapie (ICT)
Das Grundprinzip der intensivierten-konventionellen-Insulintherapie
Zu den Hauptmahlzeiten wird eine wechselnde Menge schnelles Insulin gespritzt – abhängig vom Blutzucker und von der Mahlzeit. Ein Basalinsulin deckt den Insulingrundbedarf, der unabhängig von den Mahlzeiten ist.Vorteil ist die Anpassungsfähigkeit: Die Insulinbehandlung passt sich den Alltagsgegebenheiten an.
Nachteil ist der höhere Aufwand – in der Regel viermalige Blutzuckermessung und vier- bis fünfmal täglich Insulin.
Die intensivierte Insulintherapie ist heute Standard bei Typ-1-Diabetes. Hier erreicht sie eindeutig bessere Behandlungsergebnisse und eine verbesserte Lebensqualität. Die intensivierte Insulintherapie stellt die vorteilhafte Alternative zur konventionellen Therapie (CT) dar, die bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ-1 nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt wird.
Voraussetzung für eine erfolgreiche ICT: Die Diabetesschulung
Voraussetzung zur Durchführung einer ICT ist, dass der Patient geschult ist. Ohne eine ausführliche Schulung ist eine ICT zum Scheitern verurteilt. Für die Schulung stehen strukturierte, evaluierte Schulungsprogramme zur Verfügung. Die Schulungen werden in den diabetologischen Schwerpunktpraxen durchgeführt. Wer Insulin spritzt und nicht bereit ist, sich schulen zu lassen, läuft Gefahr, sich selbst zu gefährden.Das Ding mit der Broteinheit (BE) / Kohlenhydrateinheit (KE)
Zur Durchführung einer ICT muss der Patient Broteinheiten (BE)/ Kohlenhydrateinheiten (KE) schätzen können. 1 BE entspricht 12 g Kohlenhydraten und 1 KE entspricht 10 g. Im allgemeinen wird der kleine Unterschied vernachlässigt und 1 BE mit 1 KE gleichgesetzt. Wir verwenden im folgenden die Einheit BE, welche gegen KE ausgetauscht werden kann. Dies wird in den Schulungen geübt. Darüber hinaus stehen auf dieser Internetseite verschiedene Tabellen mit Broteinheiten zur Verfügung. Es empfiehlt sich, am Anfang das Essen abzuwiegen, um einen sicheren Umgang mit den Broteinheiten zu erlernen. Später wird dies nicht mehr nötig sein. Bei den Broteinheiten handelt es sich immer um Schätzteinheiten, so dass gewisse Fehler immer auftreten.Wie viel Insulin wird zum Essen gespritzt?
Die Insulinmenge, die zum Essen verabreicht wird, setzt sich zusammen aus der Menge des Insulins, das für die gegessenen Kohlenhydrate benötigt wird und der Menge des Insulins, das benötigt wird, um den Blutzuckerwert wieder auf den individuellen Zielwert zu senken.Zusätzlich beeinflussen noch die geplante körperliche Aktivität, der Fett- und Eiweißgehalt der Ernährung sowie Krankheiten, Medikamente wie Kortison oder der hormonelle Zyklus der Frau den Insulinbedarf. Dies muss bei der Berechnung des Bolus sowie der Basalinsulindosis berücksichtigt werden.
Wie der BE-/KE- Faktor hilft, den Insulinbedarf abzudecken
Die Menge an Insulin, die für eine BE benötig werden, ist individuell unterschiedlich. Schlanke Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 werden in der Regel zwischen 0,5 und 1Einheit (E) pro Broteinheit benötigen. Dies wird als “BE-Faktor” bezeichnet. Der BE-Faktor gibt an, wie viele Insulineinheiten für eine BE benötigt werden. Begonnen wird mit einem niedrigen BE-Faktor, um Unterzuckerungen zu vermeiden. Durch die langsame Steigerung wird der individuelle BE-Faktor gefunden.Ein Beispiel: Wer zum Frühstück 4 BE isst und einen BE-Faktor von 0,5 hat, benötigt zwei Einheiten Insulin. Bei einem BE-Faktor von 2,0 sind es 8 Einheiten Insulin für 4 BE. Vor dem Spritzen muss der Blutzucker gemessen werden. Ist der Wert im Zielbereich, wird genau die Menge gespritzt, die man zur Abdeckung der BE benötigt. Ist der Wert deutlich über dem Zielbereich, müssen zusätzlich ein paar Einheiten Insulin addiert werden, um in den Zielbereich zu kommen (Korrektur).
Mit der Korrekturregel richtig Insulin berechnen
Hierzu muss man seine individuelle Korrekturregel kennen. Sie besagt, um wie viel mg/dl (mmol/l) eine Einheit Insulin den Blutzucker senkt. Bei vielen Patienten senkt eine Einheit Insulin (E) den Blutzucker um 30 mg/dl (1,6 mmol/l).Ein Beispiel: Hat man einen Zielwert von 120 mg/dl (6,6 mmol/l) und eine Korrekturregel von 1 E (Einheit) pro 30 mg/dl (1 E/ 30 mg/dl) bzw. 1,6 mol/l (1 E/ 1,6 mmol/l), so wird man bei einem Blutzucker von 150 mg/dl (8,3 mmol/l) 1 E zusätzlich spritzen müssen, um wieder den Zielwert von 120 mg/dl (6,6 mmol/l) zu erreichen. Liegt der Blutzucker aktuell bei 210 mg/dl (11,6 mmol/l), werden 3 E Insulin zusätzlich benötigen, um wieder auf 120 mg/dl (6,6 mmol/l) zu kommen.
Die für die Mahlzeit zu verabreichende Insulinmenge berechnet sich damit aus:
BE x BE-Faktor plus Korrektur
Beispiel: Für 1 BE werden 1,5 Einheiten Insulin benötigt, das heißt der BE-Faktor ist 1,5. Der Blutzucker liegt aktuell bei 180 mg/dl (10,0 mmol/l). Der Zielwert ist 120 mg/dl (6,6 mmol/l). Das Abendessen hat geschätzte 4 BE.Der BE-Faktor ist 1,5 ist und das Abendessen enthält 4 BE, also werden für die Mahlzeit 6 E Insulin (BE mal BE-Faktor gleich 4 × 1,5 = 6) benötigt. Da der Ausgangswert bei 80 mg/dl (10,0 mmol/l) und damit 60 mg/dl (3,3 mmol/l) über dem Zielwert liegt, muss noch zusätzlich eine Korrektur addiert werden: Sie beträgt 2 E Insulin (um den Blutzucker um 30 mg/dl (1,6 mmol/l) zu senken, wird 1 E Insulin benötigtfür 60 mg/dl also 2 E). Die Gesamtmenge des benötigten Insulins zur Mahlzeit sind somit 8 E.
Wie viel Basalinsulin wird benötigt?
Wer an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist, benötigt den ganzen Tag über Insulin. Da er selbst nichts produziert, muss dies von außen zugeführt werden. Selbst wenn er keine Mahlzeiten zu sich nimmt, wird er ohne eine gewisse Menge Basalinsulin entgleisen. Der Blutzucker wird kontinuierlich ansteigen, bis es zu einem hyperglykämischen Koma kommt. Daher muss der Insulin-Grundbedarf möglichst über 24 Stunden mit einem Basalinsulin abgedeckt werden. Die Menge des Basalinsulins sollte so berechnet sein, dass auch ohne Mahlzeiten normale Blutzuckerwerte erreicht werden. Die benötigte Menge an Basalinsulin ist individuell unterschiedlich. Das Verhältnis von Bolusinsulin zu Basalinsulin beträgt ungefähr 50 %An Basalinsulin stehen uns unterschiedliche Zubereitungen von Humaninsulin und Insulinanaloga zur Verfügung. Die häufigsten Humaninsuline sind so genannte NPH-Insuline. NPH ist eine Abkürzung für Neutral Protein Hagedorn. Dies wird dem Humaninsulin zugesetzt, um eine Verzögerungswirkung zu erreichen. Der Zusatz bewirkt, dass das Humaninsulin verzögert aus dem subkutanen Fettgewebe aufgenommen wird und dadurch langsamer in die Blutbahn gelangt. Die Wirkdauer ist von der Dosis abhängig und beträgt zwischen 6 und 10 Stunden. Die NPH-Insuline müssen daher zwei bis dreimal am Tag verabreicht werden, um eine Abdeckung mit Insulin über 24 Stunden zu gewährleisten. Außer NPH-Insulinen werden Insulinanaloga eingesetzt. Diese sind in ihrer Molekülstruktur so verändert, dass sie langsamer aus dem Unterhautfettgewebe aufgenommen werden. Dadurch erreicht man bei den Insulinen eine unterschiedliche Wirkdauer. Insulin Glargin hat eine Wirkdauer von mehr als 24 Stunden. Bei Insulin Detemir ist die Wirkdauer je nach Dosis bis zu 20 Stunden. Bei Insulin Detemir wird die Verzögerung nicht nur über die langsamere Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe erreicht, sondern auch dadurch, dass das Insulin im Blut an Eiweiße gebunden wird.
Der Nüchtern-Blutzucker – die Diva
Am Schwierigsten ist es, die Nüchternblutzuckerwerte gut einzustellen. Die Wirkdauer der NPH-Insuline ist in der Regel zu kurz. Die NPH-Insuline haben ein Wirkmaximum nach ungefähr 4 Stunden und fallen danach in ihrer Wirksamkeit ab. In den Morgenstunden steigt der Insulinbedarf an. Morgens werden Stresshormone wie Katecholamine, Cortisol und Wachstumshormon ausgeschüttet. Diese verstärken die Insulinresistenz. Daher ist am Morgen der Insulinbedarf am größten. Ausgerechnet in dieser Zeit sind die Wirkspiegel der NPH-Insuline so weit abgefallen, dass die Nüchternblutzuckerwerte viel zu hoch sind. Mit Insulinanaloga ist der Insulinbedarf am Morgen besser gedeckt. Einige Patienten steigen jedoch ab 4:00 Uhr morgens mit den Blutzuckerwerten so stark an, dass auch mit Insulinanaloga gute Nüchternblutzuckerwerte nicht zu erreichen sind. Dieser Anstieg in den Morgenstunden wird „Dawn- Phänomen“ genannt. Bei einem ausgeprägten „Dawn-Phänomen“ kann man auch mit Insulinanaloga keine guten Nüchternblutzuckerwerte erreichen. Ein ausgeprägtes „Dawn-Phänom“ ist somit eine Indikation zum Einsatz einer Insulinpumpe, da hier die Abgabe des Basalinsulins von Stunde zu Stunde unterschiedlich eingestellt werden kann.Kategorisiert in: Therapie Typ 1
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