Die Sankt Vincent Deklaration

St. Vincent (Italien), 10. – 12. Oktober 1989

Eine von den Regionalbüros für Europa von WHO und IDF veranstaltete Tagung 

Vertreter von Gesundheitsministerien und Patientenorganisationen aus allen europäischen Ländern berieten mit Diabetes-Experten unter der Schirmherrschaft der Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation (WHO-EURO) und der Internationalen Diabetesföderation (IDF-EURO) vom 10. bis 12. Oktober 1989 in St. Vincent (Italien). Sie verabschiedeten einmütig folgende Empfehlungen und hielten es für dringlich, diese in allen Ländern Europas umzusetzen.

Zum Abschluss der Tagung von St. Vincent verpflichteten sich alle Teilnehmer feierlich, nach Rückkehr in ihre Heimatländer, energisch und entschieden für die Umsetzung dieser Empfehlungen einzutreten.

Allgemeines

Diabetes mellitus ist ein bedeutendes und zunehmendes Gesundheitsproblem in Europa – in jedem Lebensalter und in allen Ländern. Er verursacht immer noch lange Krankheit und bedeutet zu oft frühen Tod. Mindestens zehn Millionen Bürger Europas sind davon bedroht.

Es ist Aufgabe und Pflicht der Regierungen und Gesundheitsministerien der einzelnen Länder, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich die schwere Last von Krankheit und Tod in erheblichem Maße verringert. Die Länder sollten das Problem des Diabetes offiziell anerkennen und Ressourcen zu einer Lösung bereitstellen. Auf lokaler, staatlicher und europäisch-regionaler Ebene sollten Pläne zur Verhütung, Erkennung und Behandlung des Diabetes erarbeitet werden. Insbesondere hinsichtlich seiner Komplikationen: Erblindung, Nierenversagen, Gangrän und Amputation, schwere Herzkrankheiten und Schlaganfall. Heute getätigte Investitionen werden in Zukunft Verringerung menschlichen Elends und enorme personelle und materielle Vorteile bringen.

Die nachstehend aufgeführten Gesamtziele und Zielvorgaben für fünf Jahre lassen sich durch die organisierte Zusammenarbeit der medizinischen Einrichtungen und Organisationen in aktiver Partnerschaft mit den Diabetikern, ihren Angehörigen, Freunden und Arbeitskollegen sowie ihren Organisationen erreichen: bei der Bewältigung der eigenen Erkrankung und der entsprechenden Schulung; bei der Planung und Bereitstellung der gesundheitlichen Versorgung einschließlich deren Qualitätssicherung; in den staatlichen, regionalen und internationalen Organisationen zur Verbreitung von Informationen über die Erhaltung der Gesundheit; durch Förderung von Forschung und Anwendung ihrer Ergebnisse.

Grundsätzliche Ziele für Diabetiker in jedem Lebensalter

  • Anhaltende Verbesserung der gesundheitlichen Situation und ein normales Leben hinsichtlich Lebensqualität und Lebensdauer.
  • Prävention und Therapie des Diabetes und seiner Komplikationen durch Einsatz vorhandener Möglichkeiten und Intensivierung der Forschungsarbeit.
Zielvorgaben für fünf Jahre

  • Erarbeitung, Inangriffnahme und Evaluation umfassender Programme zur Erkennung und wirksamen Betreuung von Personen mit Diabetes und eventuell auftretender Folgeschäden, vor allem durch Selbstbetreuung und wohnortnahe medizinische und sozio-ökonomische Betreuung.
  • Wecken des Bewußtseins in der Bevölkerung und unter den Fachleuten der Gesundheitsversorgung hinsichtlich der gegenwärtigen Möglichkeiten und künftiger Erfordernisse zur Prävention des Diabetes und seiner Folgeschäden.
  • Organisation von Training und Schulung für Diabetiker aller Altersstufen einschließlich deren Familien, Freunde und Arbeitskollegen sowie für das Diabetes Teams selbst in der Versorgung von Diabetikern sowie im Management deren Betreuung.
  • Gewährleistung, dass Kinder mit Diabetes durch Personen und Teams, die sowohl auf Diabetes als auch auf die Behandlung von Kindern spezialisiert sind, versorgt werden, und dass Familien mit einem diabetischen Kind die erforderliche soziale, ökonomische und emotionale Unterstützung erhalten.
  • Ausbau vorhandener Referenzzentren für die Betreuung, Behandlung, Schulung und Forschung im Bereich Diabetes; Schaffung neuer Zentren, wenn der Bedarf besteht und die Möglichkeiten vorhanden sind.
  • Förderung von Unabhängigkeit, Chancengleichheit und voller Eigenständigkeit aller Diabetiker – Kinder, Erwachsener, Menschen im Berufsalter und Senioren.
  • Beseitigung von Hindernissen gegen die bestmögliche Integration von Diabetikern in die Gesellschaft. Umsetzung effektiver Maßnahmen zur Prävention kostenaufwendiger Folgeschäden
  • Verminderung neuer diabetesbedingter Erblindungen um ein Drittel oder mehr.
  • Verringerung neu auftretenden terminalen Nierenversagens wegen Diabetes um mindestens ein Drittel.
  • Senkung der Zahl von Amputationen aufgrund diabetesbedingter Gangrän um mindestens die Hälfte.
  • Verminderung der Morbidität und Mortalität bei koronarer Herzerkrankung von Diabetikern mittels intensiver Programme zur Verringerung der Risikofaktoren.
  • Normaler Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit Diabetes.
  • Einrichtung von Systemen zum Monitoring (Begleitüberwachung) und zur Lenkung von Versorgung sowie von laborchemischen und technischen Verfahren bei Diagnostik, Behandlung und Selbstkontrolle für das Qualitätsmanagement im Bereich Diabetes; die Systeme sollen dem jeweils aktuellen Entwicklungsstand der Informationstechnologie entsprechen.
  • Förderung der europäischen und internationalen Zusammenarbeit in Forschungs- und Entwicklungsprogrammen im Bereich Diabetes zusammen mit nationalen, regionalen und WHO-Einrichtungen und in aktiver Partnerschaft mit Diabetikerorganisationen.
  • Ergreifen dringlicher Maßnahmen im Geiste des WHO-Programms “Gesundheit für alle” zur Schaffung gemeinsamer Instrumente der europäischen Regionalbüros von WHO und IDF zur Inangriffnahme, Beschleunigung und Förderung der Umsetzung dieser Empfehlungen.

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