Insulinpflichtiger Diabetes ist nicht immer eine Schwerbehinderung

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Menschen mit Diabetes, die auf eine Insulintherapie angewiesen sind, müssen mit Unterzuckerungen rechnen. Trotzdem wird diese Behandlungsform der chronischen Stoffwechselerkrankung nicht immer als Schwerbehinderung anerkannt, wie der Fall einer betroffenen Jugendlichen aus Niedersachsen zeigt.

(31.3.2025) Wer zur Behandlung eines Diabetes auf Insulin angewiesen ist, muss sein Verhalten im Alltag entsprechend anpassen. Bei fehlerhafter Dosierung, falsch eingeschätzter Nahrung oder auch ungeplanter Bewegung drohen Stoffwechselentgleisungen. Die Gefahr von Hypoglykämien führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass ein insulinpflichtiger Diabetes als Schwerbehinderung anerkannt wird. Das zeigte vor wenigen Monaten der Fall eines 14-jährigen Mädchens aus Niedersachsen.

Wie die Ärztezeitung berichtet, hatte die Jugendliche vor dem Bundessozialgericht geklagt, nachdem ihr wegen ihres Diabetes Typ 1 nur ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt worden war. Eine Schwerbehinderung liegt erst ab einem GdB von 50 vor. Das Gericht wies die Klage jedoch in letzter Instanz ab, da die 14-Jährige keine erheblichen Schwierigkeiten bei der gesellschaftlichen Eingliederung nachweisen konnte.

Kriterien im Jahr 2010 neu geregelt

Hintergrund: Der Gesetzgeber hat 2010 die Kriterien für die Anerkennung einer Schwerbehinderung bei Diabetes neu geregelt. Demnach müssen Betroffene nachweisen, dass sie mindestens vier Insulininjektionen pro Tag benötigen. Sie müssen außerdem ihre Blutzuckermessungen und Insulindosierung dokumentieren und belegen, dass sie ihre Insulindosis an Ernährung, Bewegung und Blutzuckerspiegel anpassen. Nicht zuletzt müssen gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachgewiesen werden.

Die Anerkennung einer Schwerbehinderung bei einer Insulintherapie kann üblicherweise nur am letztgenannten Punkt scheitern, da das Erfüllen der übrigen Voraussetzungen bei dieser Behandlungsform obligatorisch ist. Wann jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt, die von den Sozialgerichten anerkannt wird, ist individuell verschieden. Schwer einstellbare Stoffwechsellagen, also häufige Unterzuckerungen oder hohe HbA1c-Werte, können eine solche Beeinträchtigung darstellen. Darüber hinaus gelten bestimmte Folgeerkrankungen des Diabetes als schwerwiegende Beeinträchtigung, zum Beispiel Augen- oder Nierenschäden.

Aufwändige Dokumentation erforderlich

Zwar wurden die Voraussetzungen für den Nachweis einer Schwerbehinderung mit der Neuregelung 2010 etwas vereinfacht, da eine schwierige Stoffwechseleinstellung nicht mehr zwingend nachgewiesen werden muss. Der Nachweis einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensführung erfordert jedoch nach wie vor eine aufwändige Dokumentation, die nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt.

Hintergrund: Ab einem GdB von 50 erhalten Betroffene einen Schwerbehindertenausweis. Damit verbunden sind zum Beispiel ein erhöhter Kündigungsschutz und ein Anspruch auf mehr Erholungsurlaub. Bei einem noch höheren GdB kommen weitere Vergünstigungen hinzu, zum Beispiel ein ermäßigter Rundfunkbeitrag oder eine ermäßigte Bahncard. Auch Menschen mit Diabetes Typ 2 können schwerbehindert sein, wenn sie auf Insulin angewiesen sind und Folgeerkrankungen vorliegen.

Vor- und Nachteile gut abwägen

Vor allem jüngere Menschen sollten jedoch die Vor- und Nachteile eines Schwerbehindertenausweises gut abwägen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt kann erschwert sein, da Arbeitgeber von den Sonderrechten abgeschreckt sein können. Außerdem sind Risikoversicherungen wie Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen für Menschen mit Behinderung in der Regel teurer oder gar nicht erhältlich.

Steuerlich ist die Anerkennung einer Behinderung immer von Vorteil. Bei der Steuererklärung können Pauschbeträge abgesetzt werden, die mit dem Grad der Behinderung steigen. Schon ein GdB von 20 bringt steuerliche Vorteile, auch bei betroffenen Kindern. Bei insulinpflichtigem Diabetes wird immer ein GdB anerkannt (mindestens 20). Beantragt wird ein GdB beim zuständigen Versorgungsamt des jeweiligen Bundeslandes. Bisher ist dies für die Betroffenen kostenlos. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel mehrere Monate.

Quellen:
Ärztezeitung
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
Diabetes & Recht
Sozialverband Deutschland
Diabinfo
Familienportal
Familienratgeber
eigene Recherche

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Dieser Artikel wurde verfasst von Thorsten Ferdinand