Hilft Online-Psychotherapie bei Depressionen?
Diabetes kann sehr belastend sein
Diabetes als chronische Erkrankung stellt im Alltag hohe Anforderungen – vor allem an Menschen, die Insulin spritzen. Die tägliche Therapie liegt in ihrer Hand: Blutzucker bzw. Glukose messen, Mahlzeiten und Insulindosis berechnen, Insulin spritzen bzw. über die Insulinpumpe abgeben. Der Diabetes ist immer präsent und fordert seine Aufmerksamkeit. Hinzu kommen Ängste – kurzfristig vor einer Unterzuckerung und langfristig vor Folgeerkrankungen.Etwa 25 % der Diabetiker erkranken an einer Depression
Sich immer wieder zu motivieren, fällt schwer. “Durchhänger” mit fehlender Motivation sind da ganz normal. Wenn Menschen mit Diabetes allerdings an einer Depression oder Angststörung erkranken, ist professionelle Hilfe durch einen Psychologen gefragt – doch auf einen Therapieplatz muss man oft lange warten. Auf der Suche nach Hilfe nutzen Betroffene deshalb auch das Internet, wo mittlerweile eine Vielzahl von Programmen und Apps zur Intervention bei psychischen Beschwerden verfügbar sind. Wie sinnvoll ist eine solche Online-Psychotherapie? Damit haben sich Experten beim Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Mitte März 2018 in Berlin befasst. Im Rahmen einer Pressekonferenz gaben sie Antworten auf folgende Fragen:Für welche psychischen Beschwerden sind elektronische Angebote verfügbar und geeignet?
Die meisten Erkenntnisse liegen aktuell für Interventionen bei Depressionen und Angststörungen vor. Hier haben verschiedene Online-Programme in Studien ihre Wirksamkeit und nachhaltigen Effekte bewiesen – und zwar in vergleichbarer Qualität mit konventioneller Psychotherapie. Bei diesen handelt es sich meist um therapeutenunterstützte Programme – das heißt, der Patient durchläuft das Therapieprogramm weitestgehend selbstständig, erhält aber regelmäßig Rückmeldung durch einen Therapeuten, der auch für Fragen zu Verfügung steht. Digitale Anwendungen kommen außerdem ergänzend zur klassischen Therapie und in der Nachsorge zum Einsatz, etwa in der Rückfallprävention von Essstörungen und bei Adipositas. „Ungeeignet sind digitale Anwendungen, wenn sich Menschenin akuten, schweren Krisensituationen befinden“, sagt Professor Dr. med. Stephan Zipfel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie derUniversitätsklinik Tübingen.Wie wirkungsvoll sind Programme zur Online-Psychotherapie?
Im Allgemeinen gilt: Der therapeutische Effekt bei Online-Verfahren mit therapeutischer Unterstützung ist höher als bei Programmen, die ohne Kontakt zu einem Therapeuten angelegt sind. Angebote, die eine sehr niedrige Zugangsschwelle haben, also beispielsweise anonym und ohne vorherigen Abklärungsprozess mit einem Therapeuten gestartet werden können, werden gerne genutzt, aber oft auch wieder abgebrochen. Angebote mit höherer Zugangsschwelle haben sich in Studien als nachhaltiger erwiesen, das gilt vor allem bei Programmen zur Behandlung einer Depression. „Generell ist eine vorgeschaltete Diagnostik durch einen Facharzt empfehlenswert, bei der sich dieser einen ausreichenden Eindruck vom Patienten und seinem körperlichen und psychischen Zustand und seine soziale Einbindung machen kann“, empfiehlt Zipfel.Wie finden Betroffene ein seriöses Angebot?
Derzeit existiert kein einheitlicher Standard oder eine Zertifizierung für Programme zur Online-Psychotherapie, die Nutzern als Orientierung dienen könnten. Patienten sollten deshalb ihren Hausarzt oder Therapeuten fragen, welche Programme wirksam und für sie geeignet sind. Ein alternativer Weg führt über die Krankenkasse: Inzwischen bieten viele Versicherer ihren Mitgliedern kostenfrei Online-Interventionen für verschiedene Beschwerdebilder an. Aber auch hier ist bei vielen Angeboten eine vorherige Abklärung bei einem Therapeuten Voraussetzung für die Teilnahme. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat zudem eine Checkliste für Interessierte zusammengestellt, anhand derer sie Angebote kritisch hinterfragen können.Quelle: Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin am 20. März 2018.
Weitere Informationen zum Thema Diabetes und Psyche finden Sie hier auf diabetes-news und auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).
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Dieser Artikel wurde verfasst von Heidi Buchmüller