Das Gebot der Stunde:
Das Gebot der Stunde: Prävention des Diabetes mellitus Der Handlungsbedarf ist klar, die Umsetzung schwierig: Experten diskutieren, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Diabeteslawine beitragen können. Prof. Pierre Lefèbvre, aktueller Präsident der International Diabetes Federation (IDF), kam mit drastischen Zahlen zum ersten International Congress on “Prediabetes” and the Metabolic Syndrom nach Berlin: “Allein in Europa wird die Zahl der Menschen mit Prädiabetes mit 60 Millionen beziffert.” Dabei sei Prädiabetes ein Zustand, der bislang kaum verstanden und entsprechend schlecht im klinischen Alltag erkannt werde. Lefèbvre war Chairman eines Satelliten-Symposiums mit dem Titel “Prediabetes: The Challenge to Society”, zu dem die Merck Pharma GmbH sieben europäische Experten als Referenten eingeladen hatte. Dazu gehörte auch Prof. Paul Valensi von der Universität Paris-Nord. Valensi stellte die Ergebnisse der französischen Multicenter-Querschnittsstudie “STEP by STEP” vor, in der unter anderem die Prävalenz moderater Hyperglykämien untersucht wurde. In diesem Survey waren 23.455 Personen integriert, bei denen der Hausarzt gemäß ANAES-Guideline mindestens einen mit Typ-2-Diabetes assoziierten Risikofaktor festgestellt hatte und mindestens eine Nüchternblutzuckermessung innerhalb der letzten drei Jahre erfolgt war. Von den 19.003 Personen, die schließlich die Einschlusskriterien erfüllten, wurden 10,75 Prozent als “unerkannte Diabetiker” identifiziert. Erfolgreiche Primärprävention gefordert “Fünf alarmierende Entwicklungen erfordern, jetzt zu handeln”, mahnte Dr. med. Peter Schwarz von der TU Dresden. Dazu gehöre die weltweit drastisch steigende Prävalenz des Typ-2-Diabetes sowie der Risikofaktoren für dessen Entstehung, die Tatsache, dass immer mehr jüngere Menschen an Typ-2-Diabetes erkranken, die schwerwiegenden Komplikationen und die ausgesprochen kostenintensive Behandlung des Diabetes und seiner Komplikationen. “In Anbetracht des fehlenden kurativen Ansatzes in der Behandlung des Diabetes bleibt zur Eindämmung der Diabetesepidemie sowie zur Verhinderung der schwerwiegenden, insbesondere kardiovaskulären Komplikationen nur die erfolgreiche Primärprävention des Diabetes”, meinte Schwarz. “Mehrere große internationale Studien (Da Quing, DPP, DPS, STOP-NIDDM, XENDOS) belegen mit hoher Evidenz, dass die Prävention des Diabetes mellitus mit einer Intervention bei Risikopersonen möglich und erfolgreich durchführbar ist.” Basierend auf diesen Ergebnissen hat Schwarz das TUMAINI-Präventionsprogramm mitentwickelt (www.tumaini.info). Im Rahmen dieses Programms spielt auch die regelmäßige Begleitung durch einen persönlichen Lifestyle-Manager eine wichtige Rolle. Den müsse er sich nicht mehr suchen, kommentierte Lefèbvre sehr zur Erheiterung des Publikums, denn: “Meine Frau ist ein hervorragender Lifestyle-Manager.” Compliance entscheidend Für Prof. Dr. Philippe Lehert von der Universität Mons, Belgien, steht der Benefit von Lifestyle-Interventionen ebenfalls außer Frage, aber der Statistiker zeigte sich eher skeptisch, was den Erfolg von Lifestyle-Empfehlungen angeht. Lehert präsentierte Daten der Querschnittstudie HERAPI, die verschiedene Einflüsse auf das Verhalten (darunter sozio-ökonomischer Status, Risiko- und Selbstbewusstsein) von Risikopatienten untersuchte. In die repräsentative Studie waren 663 (Typ-2-Diabetes-)Risikopatienten und 224 Typ-2-Diabetiker eingeschlossen. Die umfangreiche Analyse zeigte, dass sich lediglich 14 Prozent der Studienteilnehmer compliant zu einer Lifestyle-Änderung zeigten; 86 Prozent änderten ihr Verhalten während der zweijährigen Surveyperiode nicht. “Die Compliance erwies sich als sehr stabiler Faktor”, sagte Lehert. “Wer bereits vor zwei Jahren compliant war, ist es jetzt auch noch.” Längst ist klar, dass das Diabetes-Problem sich nicht auf nationale Maßnahmen beschränken kann. EU-weit wurde der Handlungsbedarf allerdings lange unterschätzt: “Das Public Health-Mandat wurde erst sehr spät, im Rahmen der Masstricht-Verträge 1992, an die EU vergeben”, erklärte Wilfried Kamphausen vom DG “Health and Consumer Protection” der EU-Kommission. Dieses Mandat sei immer noch sehr limitiert, so Kamphausen, dabei könne die EU in den drei Bereichen Forschung, Monitoring und Prävention eine Hauptrolle spielen. Inzwischen wurde die so genannte “Diet, Physical Activity and Health – a European Platform for Action” ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang kritisierte Kamphausen die derzeitige Agrarpolitik, die die Produktion von Fleisch und (vollfetter) Milch weiter stark fördere, den Anbau von Gemüse und Obst dagegen umso weniger. Auch die Ernährungsindustrie muss nach Ansicht von Kamphausen mitziehen, ansonsten seien “regulative Maßnahmen” seitens der EU erforderlich. Kamphausen nannte ein Beispiel: “Getränkeautomaten mit Softdrinks müssen aus den Schulen verschwinden und durch Mineralwasserspender ersetzt werden.”Kategorisiert in: 2005, Nachrichten
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