Vitamine und Nahrungsergänzung

Ungefähr ein Drittel der deutschen Bevölkerung nimmt Nahrungsergänzungsmittel ein. Insbesondere für Patienten mit Diabetes finden sich in Apotheken, Drogerien und Supermärkten ein Überfluss an Nahrungsergänzungsmittel. Sind diese Nahrungsergänzungsmittel bei Diabetes wirklich sinnvoll?

Bei der Diabeteserkrankung wird die Einnahme von Mineralstoffen, Spurenelementen, verschiedenen Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren und seit neuestem Mittel zur Anhebung der NAD+ Spiegel mit der Verheißung der Lebensverlängerung angepriesen.

Vitamine gehören zu den Mikronährstoffen, d.h. es werden nur geringe Mengen benötigt, damit sie ihre Funktion im Stoffwechsel zu erfüllen. Unser Organismus ist nicht in der Lage, die meisten Vitamine selbst zu bilden, deshalb sind wir auf die Zufuhr über die Nahrung angewiesen. Zu den Mikronährstoffen gehören neben den Vitaminen die Mineralstoffe und Spurenelemente.

Es gilt als gesichert, dass eine gesunde Ernährung mit Schwerpunkt auf Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, Obst und Gemüse und wenig raffinierten und verarbeiteten Lebensmitteln mit einem geringeren Risiko für Typ 2 Diabetes verbunden ist und bei manifesten Diabetes den HbA1c und dem Bluthochdruck verbessert.

Probleme der industriellen Nahrungsmittelproduktion

Moderner Ackerbau und Viehzucht verändern die Zusammensetzung unserer Nahrung. Obst und Gemüse sind nicht genügend gereift, werden lange gelagert, zu lange gekocht und enthalten deshalb weniger Vitamine. Im Fleisch sind als Folge der Tiermast mehr Fett, Hormone, Antibiotika und andere chemische Substanzen. Aber nicht nur die Nahrung, sondern auch unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert. Wir essen zu viel und zu oft, wir essen zu viel Eiweiß, zu viel gesättigte Fette und zu viel ballastarme Kohlenhydrate. Wir konsumieren Fastfood, nicht nur in den dazu animierenden Kultstätten.

Gibt es einen Vitaminmangel bei Diabetes?

Ein Vitaminmangel entsteht bei einseitiger oder unzureichender Ernährung, z.B. bei überwiegender Ernährung mit Fertiggerichten. Ein erhöhter Vitaminbedarf besteht z.B. während Schwangerschaft und Stillzeit, bei chronischen Darmkrankheiten, Alkoholmissbrauch, Rauchen. Insbesondere ältere Menschen neigen zu einem Mangel an B-Vitaminen und an Vitamin D. Patienten die Metformin einnehmen, bekommen häufiger einen Vitamin-B12-Mangel.

B-Vitamine bei Diabetes

Diabetespatienten neigen häufiger zu einem Vitamin B1 Mangel. Ähnlich wie Vitamin D hemmt Vitamin B1 Entzündungsstoffe, die eine Arterienverkalkung und damit Krankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall begünstigen.  Vitamin B1, bzw. dessen Vorstufe Benfotiamin, das vom Körper in B1 umgewandelt wird, kann die Symptome einer diabetesbedingten Nervenschädigung lindern, wobei immer wieder darauf hingewiesen werden muss, dass die wichtigste Voraussetzung zur Linderung und Verhinderung diabetesbedingter Nervenschädigungen eine optimale Blutzuckereinstellung ist.

Auch ein Vitamin B12 Mangel kommt bei Diabetespatienten häufiger vor. Patienten, die das häufig verordnete blutzuckersenkende Medikament Metformin einnehmen, können durch die Einnahme dieses Medikaments einen Vitamin-B12-Mangel entwickeln, insbesondere ältere Patienten. Bei Patienten die Metformin nehmen, wird empfohlen einmal im Jahr eine Bestimmung von Vitamin B12 durchführen zu lassen. Ein Mangel an Vitamin B12 führt zu einer Schädigung der Nerven, aber auch zu einer Blutarmut. Deshalb sollte man bei entsprechenden neurologischen Symptomen oder Blutbildveränderungen eine Laborkontrolle mit Bestimmung des Vitamin B12 Spiegels durchführen lassen.

Vitamin B12 wird schlecht oral aufgenommen. Die üblichen Vitamin B12 Präparate oder Vitamin B Komplexpräparate enthalten viel zu wenig Vitamin B12, um einen Mangel auszugleichen. Es gibt wenige Präparate mit einer Vitamin B 12 Dosierung von 1000 µg und mehr, mit denen ein Vitamin-B12-Mangel oral ausgeglichen werden kann.

Vitamin D –  das Sonnenvitamin

Über 2/3 des Vitamin-D Bedarfs produziert unsere Haut mithilfe des Sonnenlichts, der Rest sollte aus der Nahrung kommen. Sowohl die Eigenproduktion durch die Haut als auch die Ernährung sind hier problematisch. Die meisten Menschen in den westlichen Ländern halten sich den überwiegenden Teil des Tages in geschlossenen Räumen auf oder meiden direkte Sonnenbestrahlung wegen der daraus drohenden Lichtschäden der Haut, noch gravierender wird diese Situation im Winter.

Auch eine ausreichende Vitamin-D Zufuhr über die Nahrung ist nicht immer ausreichend , da Vitamin-D vorwiegend in fettreichem Fisch vorkommt, in geringerer Konzentration auch in Eiern und Pilzen.

Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche. Die vorhandene Osteoporose wird häufig erst durch einen Knochenbruch bemerkt. Die Entstehung der Osteoporose bei Patienten mit Diabetes ist für Diabetes mellitus Typ 1 und Diabetes mellitus Typ 2 unterschiedlich.Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 ist schon lange bekannt, dass sie ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche haben. Beim Typ 1 ist auch schon sehr früh die Knochendichte vermindert.

Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sind überwiegend adipös. Normalerweise haben übergewichtige Patienten ein geringeres Risiko, eine Osteoporose zu entwickeln. Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 haben trotz Adipositas jedoch ein erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen. Sie haben häufig eine erhöhte oder normale Knochendichte, trotzdem ist die Stabilität des Knochens vermindert und das Risiko für Knochenbrüche erhöht. Die Ursachen für die verminderte Stabilität des Knochens sind noch nicht wissenschaftlich vollständig aufgeklärt. Diabetes mellitus Typ 2 betrifft jedoch häufig auch ältere Patienten mit einer größeren Sturzneigung. Dies erklärt einen Teil der häufigeren Frakturen. Außerdem hat die überwiegende Anzahl der Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 einen manifesten Vitamin-D-Mangel.

Eine wesentliche Rolle spielt Vitamin-D bei der Regulierung Calcium-Spiegels im Blut und beim Knochenaufbau. Bei Vitamin D-Mangel wird ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzleistungsschwäche beobachtet. Einen Vitamin-D Mangel stellt man über eine Blutuntersuchung fest. Hier misst man den 25(OH)Vitamin-D3-Spiegel. Der Normbereich liegt bei 20-60 ng/ml. Ein Vitamin-D-Mangel besteht bei Werten unter 30 ng/ml.

Da in unseren Breiten überwiegend ein Vitamin-D-Mangel besteht, ist eine Nahrungsergänzung mit Vitamin-D bei vielen Patienten sinnvoll. Die häufig empfohlene Nahrungsergänzung mit 1000 Einheiten Vitamin-D ist nach unserer praktischen Erfahrung zu niedrig, um einen Vitamin-D-Mangel auszugleichen. Hierzu sind 2000 -3000 Einheiten täglich notwendig. Niedrig dosierte Vitamin-D Präparate können frei gekauft werden. Hochdosierte Vitamin-D Präparate wie Colecalciferol 20.000, die nur einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen eingenommen werden müssen, sind rezeptpflichtig.

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Nahrungsergänzung mit Vitamin-D nicht. Die Kosten für die Vitamin-D Präparate werden von den Krankenkassen nur bei einer Osteoporose übernommen, die mit Medikamenten behandelt werden muss, um Frakturen zu verhindern.

Warum ist Vitamin K wichtig?

Bei Vitamin K wird zwischen Vitamin K1 (Phyllochinon) und Vitamin K 2 (Menachinon) unterschieden. Beide Vitamine können ineinander umgewandelt werden. Daher macht eine strenge Trennung der beiden Vitamine wahrscheinlich keinen Sinn. Beide Vitamine sind Cofaktoren eines Enzyms (Gamma-glutamylcarboxylase) das Proteine aktiviert. Vitamin K1 greift in die Blutgerinnung ein und kommt vor allem in der Leber vor. Vitamin K 2 greift in den Knochenstoffwechsel, Arteriosklerose, Krebs und entzündliche Erkrankungen regulatorisch ein. Die unterschiedlichen Studien kommen zu dem Ergebnis, dass diese Trennung so nicht gilt, da auch Vitamin K1 in Knochenstoffwechsel, Arteriosklerose etc. eingreift.

Vitamin K 1 kommt vor allem in grünem Gemüse, wie Grünkohl, Spinat und in Zwiebeln, Chicorée und Kiwi vor. Vitamin K 2 findet sich vor allem in fermentierten Käse und wird auch von den Bakterien im Darm produziert. In Asien wird der Vitamin K 2 Bedarf praktisch ausschließlich über MK-7 gedeckt. In westlichen Ländern ist MK-4 die wesentliche Quelle für Vitamin K 2. MK-4 und MK-7 unterscheiden sich in der Länge der Seitenketten durch die Anzahl der isoprenyl Gruppen.

Vitamin K Mangelzustände sind selten, normalerweise wird über die Ernährung ausreichend Vitamin K aufgenommen. Bei Leber-, Magen und Darmerkrankungen kann es zu einem Vitamin K Mangel kommen. Auch übermäßiger Alkoholkonsum kann ein Grund für einen Vitamin K Mangel sein. Bei einer Pankreasinsuffizienz werden fettlösliche Vitamine ebenfalls schlecht aufgenommen und es kann zu einem Vitamin-K-Mangel kommen.

Vitamin K und Diabetes

In einer großen prospektiven europäischen Studie zur Untersuchung des Zusammenhangs von Krebs und Ernährung (EPIC) wurden zwischen 1993 und 1997 über 16.000 Frauen eingeschlossen. In dieser Studie wurde auch der Einfluss von Vitamin K1 und K2 auf das Risiko ein Diabetes mellitus Typ 2 zu bekommen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Vitamin K 1 das Risiko ein Diabetes zu bekommen um 19 % senkt und Vitamin K 2 um 9 %.

Vitamin K, der Entkalker der Gefäße

In der EPIC Studie wurde auch der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Vitamin K und dem Risiko einer koronaren Herzerkrankung untersucht. Pro 10 µg Vitamin K2 Einnahme am Tag wurde das Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu bekommen, um 9 % reduziert. Für Vitamin K 1 ergab sich kein signifikanter Zusammenhang. Auch in einer randomisierten Doppelblindstudie konnte die Substitution mit Vitamin K2 die Steifigkeit von Arterien signifikant vermindern.

Die Verkalkung der Aortenklappe ist die häufigste Klappenerkrankung des Herzens und kommt bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 gehäuft vor. Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass das Fortschreiten der Verkalkung von der Einnahme von Vitamin K abhängt. In mehreren Studien wird versucht, das Fortschreiten der Aortenklappenverkalkung durch die Gabe von Vitamin K zu verlangsamen. Die erste Studie ist abgeschlossen und es konnte gezeigt werden, dass mit 2 mg/d Vitamin K1 das Fortschreiten der Klappenverkalkung signifikant verlangsamt werden konnte (Brandenburg V.M.et al.:. Circulation. 2017;135:2081–2083. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.116.027011)

Vitamin K1 ist wichtig für die Blutgerinnung. Ein Mangel an Vitamin K1 führt zu einer Verlangsamung der Blutgerinnung und es kann zu Blutungen kommen. Patienten, die Cumarin Präparate (Z. B. Marcumar) einnehmen, dürfen Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin K nur mit Rücksprache und Überwachung durch den Arzt einnehmen. Andererseits fördert Marcumar das Fortschreiten der Gefäßverkalkung. Besser als Marcumar ist die Einnahme von moderneren oralen Gerinnungshemmern (DOAK) zusammen mit Vitamin K.

Vitamin K und Osteoporose

Vitamin K ist auch ein Cofaktor, der über Osteocalcin an der Knochenmineralisation beteiligt ist. In der Nurses Health Study hatten Patientinnen, die wenig Vitamin K1 zu sich nahmen, gehäuft eine Osteoporose und ein über 40 % erhöhtes Risiko für Hüftfrakturen. Vitamin K wird häufig empfohlen in Kombination mit Vitamin-D einzunehmen. Randomisierte Studien mit Substitution von Vitamin K auf seine Wirksamkeit bezüglich Osteoporose oder Reduktion von Knochenbrüchen ergaben kein eindeutiges Ergebnis. Der Effekt von Vitamin K bei Osteoporose scheint wohl nicht sehr ausgeprägt zu sein. (Iwamoto J. Nutrients2014, 6, 1971-1980; doi:10.3390/nu605197).

Außer oben genannten Erkrankungen werden Untersuchungen zum Einfluss von Vitamin K auf Krebs, Lebererkrankungen, das Immunsystem etc. durchgeführt. Nähere Informationen finden sich im folgendem Artikel.: Halder M. et. al.: Vitamin K: Double Bonds beyond Coagulation Insights into Differences between Vitamin K1 and K2 in Health and Disease. Int. J. Mol. Sci. 2019, 20, 896; doi:10.3390/ijms20040896

Vitamin K steht als preisgünstiges Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung. Die häufigste Verbreitung ist sicherlich die Kombination mit Vitamin-D. Für Patienten mit Aortenklappenverkalkung mag Vitamin K überlegenswert sein, da bei Fortschreiten die einzige therapeutische Möglichkeit der Aortenklappenersatz ist. Vitamin K hat auch bei höheren Dosen keine toxischen Wirkungen.

Multivitamin-Präparate bei Diabetes

Multivitamin-Präparate sind auf Grund der geringen Konzentration einzelner Vitamine bei manifestem Vitaminmangel nur von eingeschränktem Wert. Auch sollten sie keinesfalls als Ersatz für eine gesunde, vitaminreiche Ernährung gesehen werden. Allgemein gilt, dass Vitamine, welche möglichst unverändert mit den entsprechenden Nahrungsmitteln zusammen mit den darin enthaltenen Ballaststoffen aufgenommen werden, gesünder sind, als die ungezielte Einnahme von „Vitaminpillen“. Welche Vitamine für Sie vorbeugend oder sinnvoll oder therapeutisch erforderlich sind, sollten Sie mit Ihrem Hausarzt, Internisten oder Diabetologen besprechen.

Zusammenhang zwischen Diabetes, Altern und NAD

 Nicotinamidadenindinukleotid (NAD) ist ein Enzym, das im Stoffwechsel der Zelle an vielen Redoxreaktionen beteiligt ist. Im Laufe des Lebens nimmt NAD+ in allen Geweben ab. Man vermutet, dass oxidativer Stress, Schädigung der DNA, Alterung der Zelle und Entzündungsprozesse zum Abfall von NAD+ führen. Es besteht daher die Vorstellung das Altern der Zelle zu verlangsamen und somit das Leben des Menschen zu verlängern, durch Anhebung der NAD+ Spiegel. Die NAD Spiegel hängen von der Zufuhr von NAD+ über Aufnahme der NAD+ -Vorläufer ab, der Neubildung von NAD und dem NAD+-Verbrauch der Zelle.

NAD+ -Vorläufer
NAD+ -Vorläufer umfassen Nikotinamid (NAM), Nikotinsäure (NA), Tryptophan (Trp), Nikotinamid-Ribosid (NR) und Nikotinamid-Mononukleotid (NMN). Niacin (Vitamin B3) ist kein einzelnes Vitamin, sondern steht für Nicotinsäure und Nicotinamid sowie deren Verbindungen. Es ist reichlich in Eiern, Fisch, Fleisch, einigen Gemüsen und Vollkorn enthalten. Milch enthält NR. NMN kommt in verschiedenen Lebensmitteln vor: Brokkoli (0,25–1,12 mg / 100 g), Avocado (0,36–1,60 mg / 100 g) und Rindfleisch (0,06–) 0,42 mg / 100 g).

Biosynthese (Neubildung)
NAD+ kann in Leber und Niere aus Tryptophan erzeugt werden. Der Rückgewinnungsprozess (salvage pathway) ist für den Menschen jedoch der wichtigste Stoffwechselweg zur Neubildung von NAD+. NAD+ wird abgebaut zu NAM. Über verschiedene Enzyme werden die Vorstufen NR und NR gebildet aus den wiederum NAD+ synthetisiert werden kann.

Die Aktivität des Enzyms Nicotinamide phosphoribosyltransferase (NAMPT) ist für die Umwandlung von Nikotinamid (NAM) zu Nikotinamid-Mononukleotid (NMN) bestimmend. NMN wird sofort durch NMN-Adenylyltransferasen in NAD+ umgewandelt (NMNATs). Nikotinamid-Ribosid (NR) wird durch Kinasen(Nikotinamid Riboside Kinasen (NRK) zu NMN phosphorylisiert.

  NAD+ Verbrauch
Der Gehalt von NAD+ in den Geweben hängt nicht nur von der Biosynthese von NAD ab, sondern auch vom Verbrauch durch Enzyme. NAD ist ein Coenzym von 4 Gruppen von Enzymen, deren Aktivität sich gegenseitig beeinflussen.

Die Wirkung von Sirtuinen im Körper

NAD+ aktiviert Gene, die für die Produktion von Sirtuinen verantwortlich sind. Sinkt der Spiegel von NAD+ sinken die Spiegel von Sirtuinen. Sirtuine sind Proteine deren Absinken mit dem Alterungsprozess verschiedener Gewebe in Verbindung gebracht werden.

Sirtuine schützen Zellen und Nerven, greifen in den Stoffwechsel der Zelle ein, verbessern der Insulinantwort, schützen das Herz und sind entzündungshemmend. Fallen die NAD+ Spiegel im Alter ab, wird die Sirtuinwirkung geringer. Sirtuine werden daher als Anti-Aging Enzyme bezeichnet.

Auswirkungen von Sirtuinen auf verschiedene Erkrankungen:
Diabetes: Sirtuine vermindern die Insulinresistenz und schützen vor Diabetes Typ 2.

Alzheimer: Patienten mit Alzheimer haben eine geringe Expression von Sirtuinen. Aktivierung von Sirtuinen reduziert Amyloid, dessen Einlagerung im Gehirn eine wesentliche Bedeutung für die Entstehung von Alzheimer hat.

Diabetische Retinopathie und Makuladegeneration: NAD ist bei diesen Erkrankungen vermindert und mit NMN konnte die Funktion der Retina wieder verbessert werden.

Depression: die Aktivierung von Sirtuinen verbessert die Depression.

Die Aktivität der Sirtuine kann durch Sirtuin haltige Nahrungsmittel oder durch Nahrungsergänzungsmittel, die Sirtuinen aktivieren gesteigert werden.

Die Sirtuindiät beschreiben wir im Kapitel Diäten zur Gewichtsreduktion.

Resveratrol, der Sirtuin Aktivator

Franzosen bekommen weniger Herzinfarkte oder eine koronare Herzerkrankung als Deutsche und Amerikaner, obwohl in ihrer Ernährung der Anteil an saturierten Fetten höher ist. Saturierte Fette sind ein Risikofaktor zur Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung. Diese Beobachtung wird als French Paradox bezeichnet. Als Ursache wird angenommen, dass die französische Ernährung ähnlich einer mediterranen Ernährung ist mit ihren gesicherten Vorteilen zu Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen.

Ein weiterer Erklärungsversuch ist der vermehrte Konsum von Rotwein. Rotwein enthält Polyphenole, denen gefäßschützende Wirkung nachgesagt wird. Ein wichtiges Polyphenol im Rotwein ist Resveratrol mit einer Konzentration von ungefähr 0,27 mg/100 ml. Darüber hinaus findet sich Resveratrol in vielen Pflanzen vor allem in Weintrauben, Himbeeren, Maulbeeren, Pflaumen und Erdnüssen.

Zu Resveratrol gibt es Studien die belegen, dass es ein Aktivator der Sirtuine ist. Sirtuine haben in Tiermodellen zu einer Verbesserung der Insulinresistenz, zur Gewichtsabnahme, zum Schutz vor Diabetes mellitus und zu Reduktion des Auftretens von Alzheimer geführt.

Die Studienergebnisse am Menschen sind nicht ganz einheitlich. Bisher liegen nur relativ kurze Studien von wenigen Wochen vor. In den meisten Studien wurden 500 mg Resveratrol verabreicht. In einer randomisierten Doppelblindstudie mit 56 Patienten mit Typ 2 Diabetes und koronarer Herzerkrankung haben sich die Nüchternblutzuckerwerte, die Insulinresistenz, die Insulinempfindlichkeit deutlich verbessert, HDL ist angestiegen und das Gesamtcholesterin gesunken. Dies weist darauf hin, dass Resveratrol eventuell einen positiven Effekt hat, um das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren.

Beeinflussung der Alterungsprozessen

Der Abfall von NAD im Alter hat weit reichende Konsequenzen, da die Aktivität von wichtigen Enzymen von der Energiezufuhr und damit von NAD+ abhängig ist. Der durch das Altern bedingte Abfall von NAD ist eine wesentliche Ursache für zelluläre Dysfunktionen im Alter.

Die wesentlichen Folgen sind Diabetes, nichtalkoholische Fettleber, Arteriosklerose, Alzheimer, Makuladegeneration und diabetische Retinopathie, und Depression.

Man kann daher versuchen die zelluläre Dysfunktionen im Alter über eine Anhebung von NAD oder Modulation der NAD verbrauchenden Enzyme zu verlangsamen.

Anhebung von NAD durch Nahrungsergänzung

NMN NMN ist die unmittelbare Vorstufe von NAD+. NMN wird innerhalb von 15 Minuten vom Darm aufgenommen. Es wird sofort in NAD+ umgewandelt und als NAD+ in Leber, Muskel und Herz gespeichert. Aus obiger Darstellung der Biosynthese von NAD+ könnte man folgern, dass der direkteste und einfachste Weg NAD+ anzuheben die Zufuhr von NMN als Nahrungsergänzungsmittel ist.

Sinclair, Brigham and Womens Hospital, Harvard-Universität, ist ein prominenter Vertreter der NMN Forschung. Er selbst nimmt NMN. Es besteht allerdings die Besorgnis, dass NMN in unserem Körper Methylgruppen zu stark abbaut. Sinclair nimmt zusätzlich TMG (eine Aminosäure, die als Betain bekannt ist) als Vorsichtsmaßnahme. Betaine können bis zu 4 g täglich eingenommen werden. Zu Betaine gibt es Studien bezüglich Diabetes, Muskelstärke, und kardiovaskuläre Risikofaktoren. Die meisten Studien hatten keinen Effekt, lediglich in zwei Studien wurde eine Verbesserung beobachtet. Da Sinclair den Methylverbrauch durch NMN als ein Risiko ansieht, empfiehlt er TMG als Methyldonator einzunehmen.

Die Erkenntnisse von Sinclair beruhen nur auf Tierversuchen. Nach unserer Recherche gibt es bisher (01/2021) keine publizierte Studie von NMN am Menschen. Es gibt eine japanische Arbeit mit zehn Probanden an denen 2019 NMN getestet wurde. Diese Arbeit existiert lediglich als Vorveröffentlichung und hat es bis heute nicht geschafft, richtig veröffentlicht zu werden.

Eine kleine placebokontrollierte Studie mit 66 ProbandInnen über 60 Tage mit 300 mg NMN wurde nun von einer chinesischen Pharmafirma begonnen.

Solange keine Studien zur Sicherheit am Menschen vorliegen, raten wir von der Einnahme von NMN ab.

Nicotinamidriboside (NR)
Nicotinamidriboside (NR) ist ein weiterer Vorläufer von NAD+. NR ist reichlich in der Nahrung enthalten und es gibt einige kurze Studien, die bei einer Dosis von bis zu 2000 mg täglich über drei Monate keine ernsthaften Nebenwirkungen zeigten. NR ist kostengünstig und es gibt NR in Kapseln von 125 und 250 mg als Nahrungsergänzungsmittel. NR erhöhte NAD+ in vielen Geweben und erhöht die Aktivität von Sirtuinen, verbessert die Mitochondrienfunktion und steigert das Regenerationsvermögen von Stammzellen.

Die meisten Erkenntnisse zu NR beruhen auf Tierversuchen. Zurzeit werden mehrere klinische Studien durchgeführt, um zu überprüfen, ob sich die aus Tierversuchen gewonnen Erkenntnisse bestätigen.

Nikotinsäure
Nikotinsäure verursacht in höheren Dosen Flush-Symptome, Kopfschmerzen, Pruritus, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Durchfall, epigastrische und abdominale Schmerzen/Unwohlsein und Rückenschmerzen. Weiterhin ist es hepatotoxisch und sollte daher nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. 2008 gab es das Arzneimittel Tredaptive zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen. Dieses hatte pro Tablette 1000 mg Nikotinsäure und eine fixe Kombination mit Laropiprant. Laropiprant ist ein Prostaglandin Rezeptorantagonist, der das Auftreten von Flush verminderte. In einer Endpunktstudie wurde keine Verbesserung des primären Endpunktes gegenüber Placebo erreicht und die Nebenwirkungsrate war deutlich erhöht.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Nikotinsäure beurteilt, auf das erhebliche Nebenwirkungspotenzial hingewiesen und die Zubereitung als nicht sicher bezeichnet. Es betrachtet Nikotinsäure aus obigen Gründen als nicht verkehrsfähig.

Resümee: Lediglich zu Nikotinamidribosid liegen einige Studien vor, bei denen bisher keine ernsthaften Nebenwirkungen aufgetreten sind.

 Oligomere Proanthocyanidine, oligomere Procyanidine, (OPC)

OPC gehören zu den Polyphenolen. Sie kommen vorzugsweise in Traubenkernen und in der Schale von Trauben vor. Heidelbeeren, Cranberrys und Erdnüsse enthalten ebenfalls OPC. Verschiedene Nahrungsergänzungsmittel enthalten vor allem OPC aus Traubenkernextrakten.In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass OPC die Plaquebildung in Gefäßen und auch bei Alzheimer verhindern können.

In Studien am Menschen konnte gezeigt werden, dass durch OPC die endotheliale Dysfunktion verbessert wird. Die endotheliale Dysfunktion ist ein Marker für eine beginnende Gefäßverkalkung. Außerdem senken die OPC den Blutdruck und Cholesterin. Auch die Belastbarkeit von Patienten mit stabile Angina pectoris konnte im Belastungs-EKG verbessert werden.

Aterofisiol®
In Italien gibt es ein Nahrungsergänzungsmittel Aterofisiol® das Omega-3 (EPA [eicosapen acid] DHA [docosahexaenoic acid]), Vitamin K2, Vitamin B6, Vitamin B12, OPC und Resveratrol enthält. Patienten mit einer Carotisstenose haben ein erhöhtes Risiko, dass die Plaques aufbrechen. Das Risiko für das Aufbrechen der Plaques hängt von deren Zusammensetzung und nicht von der Größe der Plaques ab.

In einer Studie mit Patienten mit einer Carotisstenose, die operiert werden mussten, wurde entweder eine Behandlung mit Aterofisiol® oder Plazebo durchgeführt. Aterofisiol® verbesserte signifikant die Plaquezusammensetzung.

Lebensverlängerung durch OPC?
Mit obigen Nahrungsergänzungsmitteln werden weltweit Milliarden umgesetzt. Es gibt auch Kliniken die mit obigen Konzepten arbeiten. Ob sich eine Lebensverlängerung erreichen lässt, sei dahingestellt und wird wohl nie genau untersucht werden.

Interessante neue Erkenntnisse gibt es zur Beeinflussung des Stoffwechsels mit obigen Konzepten und es ist durchaus möglich, dass sich positive Ergebnisse für Patienten mit Diabetes ergeben. Bevor man zu solchen Mitteln greift, sollten jedoch die Studien zur Sicherheit und Nutzen abgewartet werden.