Aus diesem Grunde ist die Stoffwechselkontrolle ein wesentlicher Baustein der Diabetestherapie.
Wie funktionieren Blutzuckermessgeräte?
Blutzuckermessgeräte nutzen heute elektrochemische Verfahren wie die Ampero- oder Coulometrie. Sie funktionieren nach folgendem Prinzip: Wird der Blutstropfen auf den Teststreifen aufgebracht, gelangt er in ein Reaktionsfeld. Dort befindet sich ein Enzym, das mit Glukose reagiert. Bei dieser Reaktion werden negativ geladene Teilchen freigesetzt, sogenannte Elektronen. Das Reaktionsfeld ist mit einer Elektrode verbunden, an der die Elektronen nun einen schwachen Stromfluss erzeugen. Bei der Amperometrie ermittelt das Blutzucker-Messgerät die Stromstärke und errechnet aus diesen Daten den Glukosegehalt im Blut. Je mehr Glukose im Blut ist, desto höher der Stromfluss und damit die Blutzuckerwerte.Wer sollte Blutzucker messen?
Auf Grund der Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien wird die Blutzuckermessung empfohlen bei Menschen mit Diabetes, die Medikamente einnehmen, welche zu Unterzuckerungen führen können und deren Dosierung an den aktuellen Blutzuckerwert angepasst werden muss. Dies gilt beispielsweise für Typ 1 Diabetiker die Mahlzeiteninsulin spritzen. Sie testen den Blutzucker vor dem Essen und passen die Insulindosis an den aktuellen Blutzuckerwert und die Kohlenhydratportion an.Bei Typ 2 Diabetikern die mit blutzuckersenkenden Medikamenten wie Sulfonylharnstoffen oder Gliniden behandelt werden, kann in der Einstellungsphase eine Blutzuckermessung erforderlich sein. Ist die Einstellung dann stabil, werden Messungen nur in Ausnahmesituationen wie Krankheit, langen Autofahrten, Ernährungsumstellung oder sportlicher Aktivität empfohlen. Patienten mit Typ 2 Diabetes, die diätetisch eingestellt sind oder Medikamente wie Metformin, Gliptine oder SGLT 2 Hemmer, brauchen keine Messungen durchzuführen, da hier keine Unterzuckerungen auftreten können. Das Thema Blutzuckerselbstkontrolle wird in Deutschland immer wieder diskutiert, weil die Teststreifen nach wie vor teuer sind und bei den Krankenkassen hohe Ausgaben verursachen. Eine Messung kostet ca. 50 Cent. Der für die Richtlinien von Medikamentenverordnungen zuständige gemeinsame Bundesausschuss hat im März 2011 beschlossen, dass bei nicht insulinpflichtigen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 die Kosten nur noch in Ausnahmefällen und auch nur eingeschränkt übernommen werden. Demnach sollen nur bei instabiler Stoffwechsellage, bei Ersteinstellung oder bei Therapieumstellung mit hohem Hypoglykämierisiko pro Behandlungssituation maximal 50 Teststreifen pro Quartal verordnungsfähig bleiben.
Die Blutprobe: Kapillär, venös, Plasma?
Blut ist eine Flüssigkeit in der verschiedene Bestandteile vermischt sind. Die reine Flüssigkeit nennt man Plasma. Das Plasma besteht zu 90% aus Wasser, aus Proteinen, Salzen und Nährstoffen. Die Blutkörperchen (korpuskulärer Anteil des Blutes) haben einen Anteil von ca. 40-45% am Blutvolumen. Es handelt sich dabei um rote Blutkörperchen (Erythrozyten), weiße Blutkörperchen (Leukozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten). Die Glukose wird im Plasma transportiert. Da die Messung aber meist mit Vollblut durchgeführt wird, wird das Blut „verdünnt“, d.h. der Blutzuckerwert ist niedriger, als er bei einer Messung aus dem Plasma wäre. Dieser Effekt beträgt ca. 11%. Modere Messgeräte sind plasmakalibriert, d.h. bei einer Messung aus Vollblut wird der Wert umgerechnet.Mögliche Fehlerquellen beim Blutzuckermessen
Fehlmessungen bei der Blutzuckerselbstkontrolle werden meistens durch den Anwender selbst verursacht. Fehlerquellen sind Teststreifen, die nicht zum Gerät passen, eine falsche Kalibration des Gerätes, schmutzige Messgeräte, unsachgemäße Lagerung der Teststreifen und mangelnde Händehygiene. Patienten, die öfter messen und motiviert sind, erhalten bessere Ergebnisse als die, die seltener messen. Um die Zuverlässigkeit der Blutzuckermessung zu verbessern, sollte das Messgerät immer in die Sprechstunde mitgebracht werden. Die Handhabung des Messgeräts kann hier überprüft, das Gerät selbst durch Referenzmessungen getestet werden. Zusätzlich empfiehlt es sich, das Messgerät elektronisch auszulesen. Oft finden sich Diskrepanzen zum Blutzuckertagebuch.Messungen an alternativen Körperstellen
Üblicherweise wird die Blutprobe bei der Messung aus der Fingerbeere entnommen. Man spricht hier von mischkapillärem Blut, weil in den feinen Blutgefäßen ein Übergang von arteriellem in venöses Blut stattfindet. Seit 1998 sind Blutzuckermessgeräte auch für die Messung an anderen Körperstellen zugelassen. Dies wurde möglich, weil die erforderlichen Blutmengen sehr klein geworden sind. Manche Diabetiker greifen auf alternative Messstellen zurück, weil die Fingerbeeren schon vernarbt oder sehr schmerzempfindlich sind. Allerdings gibt es hier einige wichtige Regeln zu berücksichtigen. Bei stabiler Stoffwechsellage unterscheiden sich die Messergebnisse nicht. Bei raschen Veränderungen hinken die Werte der alternativen Messstellen allerdings hinterher, weil die besser durchblutete Fingerbeere die Veränderung schneller wiedergibt. Eine Messung bei einer fraglichen Unterzuckerung sollte also immer am Finger erfolgen. Das empfiehlt sich auch bei Messungen nach der Mahlzeit, weil die Werte hier rasch ansteigen können.Dokumentation der Blutzuckerwerte
Die Voraussetzung für die Verordnung von Teststreifen auf Kosten der Krankenkasse, ist eine konsequente Dokumentation der Blutzuckerwerte. Dies war bisher nur mit Blutzuckertagebüchern möglich. Neben den Blutzuckerwerten müssen bei der intensivierten Insulintherapie (ICT) die KH-Einheiten und die Insulindosis aufgeschrieben werden. Nur die konsequente Dokumentation ermöglicht dem Patienten und dem Arzt eine Überwachung und Korrektur der Insulintherapie. Auch von Seiten der Krankenkassen können Tagebücher angefordert werden, wenn es um die Verordnung von Insulinpumpen und CGMS Geräten geht. Gerichte können Tagebücher auch anfordern, wenn es um die Frage geht, ob Unterzuckerungen öfter auftreten und damit die Verkehrstauglichkeit gefährdet ist. Durch die Verwendung von elektronischen Helfern wie Messgeräten mit Speichern, KE-Rechnern, CGMS Geräten und Insulinpumpen können Blutzuckerwerte, Kohlenhydrate und Insulindosen auch im Computer eingelesen werden. Softwareprogramme bieten auch Hilfen bei der Analyse. Viele Schwerpunktpraxen lesen die Geräte routinemäßig ein. Voraussetzung ist natürlich, dass das Gerät nicht zu Hause vergessen wurde.Blutzucker-Selbskontrolle bei Typ-1-Diabetes:
Die Ergebnisse der DCCT Studie und ihre follow up Studie haben gezeigt, dass eine intensivierte Insulintherapie die beste Behandlung darstellt, um mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen zu verhindern. Die Blutzuckerselbstkontrolle ist integraler Bestandteil der intensivierten Insulintherapie. Selbstkontrolle erlaubt die Anpassung von Dosis und zeitliche Ausrichtung der Insulingabe und der Kohlenhydratportion bei den Mahlzeiten. Gleichzeitig erlaubt die Blutzuckermessung rechtzeitiges Eingreifen bei sinkenden Blutzuckerwerten um Unterzuckerungen zu vermeiden.Die Amerikanische Diabetesgesellschaft empfiehlt bei Typ 1 Diabetikern Messungen vor jeder Mahlzeit oder Zwischenmahlzeit, vor dem Schlafengehen, gelegentlich nach den Mahlzeiten und bei kritischen Situationen wie dem Autofahren. Üblicherweise sind mindestens 4 Messungen pro Tag erforderlich. Bei sportlich aktiven Menschen oder Ausnahmesituationen wie Schwangerschaft, Krankheit, Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen u.a. werden weitere Messungen erforderlich. Sollen mehr als 500 Teststreifen pro Quartal verordnet werden, d.h. mehr als 6,5 Messungen pro Tag, muss der verordnende Arzt im deutschen Gesundheitswesen eine plausible Begründung gegenüber den Krankenkassen angeben. Trotzdem ist die konsequente Blutzuckerkontrolle für Typ 1 Diabetiker die Voraussetzung dafür, den HbA1c Wert in den Zielbereich zu bekommen.
Blutzucker-Selbskontrolle bei Typ-2-Diabetes:
Die Effektivität von Blutzuckerselbstkontrollen zur Verbesserung der Blutzuckereinstellung bei Patienten mit Typ 2 Diabetes ist nicht eindeutig bewiesen. Mehrere wissenschaftliche Studien haben die Blutzuckerselbstkontrolle bewertet. Einige zeigten einen positiven Effekt auf die Einstellung, andere nicht. Auch Metaanalysen erbrachten keine eindeutige Erkenntnis. Einige zeigten keinen Vorteil, andere zeigten eine leichte Verbesserung des HbA1c Wertes um 0,2 – 0,3 Prozent. Am besten profitieren Patienten von der Blutzuckerselbstkontrolle, wenn sie zusätzlich geschult werden. Dann reduziert sich der HbA1c Wert um 0,5 Prozent. Es gibt also keinen wissenschaftlichen Beweis, dass die Messungen beim Typ 2 Diabetiker die Lebensqualität verbessern oder Folgeerkrankungen vermindern. Es mag durchaus Typ 2 Diabetiker geben, die in Bezug auf die Vermeidung von Diätfehlern und die Verbesserung der Therapie von der Selbstmessung profitieren. Andererseits sind Teststreifen sehr teuer und in einer Studie aus Großbritannien konnte nachgewiesen werden, dass Blutzuckerselbstkontrollen ohne ausreichende Schulung nicht kosteneffizient sind.In Deutschland sollen sich Ärzte bezüglich der Verordnung von Teststreifen an der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ 2 – Diabetes orientieren. Bei der Frage der Indikationsstellung der Blutzuckermessung gelten folgende Indikationen. Gemessen werden soll
- nur bei neu diagnostiziertem Diabetes, in Einstell- und Umstellphasen,
- bei labiler Stoffwechselsituation mit häufigen Unterzuckerungen (dann vor allen Mahlzeiten bis zur Erreichung des gewählten Therapiezieles, danach Rückkehr zu Gelegenheitsmessungen),
- bei Therapieeskalation vorübergehend nach Rückgang von einer Insulintherapie auf eine Behandlung mit oralen Antidiabetika,
- bei zusätzlichen Erkrankungen oder Interventionen, z.B. schweren Infektionen, geplante Operationen, psychischen Erkrankungen mit unzuverlässiger Therapie,
- wenn bei Sport/Bewegung unter plasmaglukosesenkenden Substanzen, die mit Hypoglykämien assoziiert sein können entsprechende Symptome auftreten.
- bei krankheitsbedingten akuten Änderungen der Ernährung (z.B. Durchfall/Erbrechen)
- therapiebedingt bei oralen Antidiabetika (OAD) mit Hypoglykämiegefahr (Sulfonylharnstoffe, Glinide), Insulintherapie und Notwendigkeit von Selbstanpassung der Insulindosis, intensivierte konventionelle Insulintherapie (vor allen Mahlzeiten, gelegentlich nachts), Insulinpumpentherapie (vor allen Mahlzeiten, gelegentlich nachts), Situationen mit besonderer Gefahren.
Geschichte der Blutzucker-Selbstkontrolle
Vor Einführung der Blutzuckermessung war die Urinzuckermessung die einzige Möglichkeit, Diabetes zu erkennen. Schon im 18. Jahrhundert wurden erste Messmethoden entwickelt. Es handelte sich dabei um chemische Messmethoden, bei denen der Urin mit Chemikalien versetzt wurde. Diese Methoden wurden verfeinert und vereinfacht und waren bis zur Entwicklung eines Teststreifens im Jahre 1950 die Standardmethode, um Diabetes feststellen zu können. Mit Einführung der Teststeifen konnte zumindest eingeschränkt die Diabetestherapie mitbegleitet werden. War kein Zucker im Urin, so war die Einstellung einigermaßen gut. Eine Ausscheidung von Zucker in den Urin findet erst statt, wenn der Blutzuckerwert über 180mg/dl (10 mmol/l) ansteigt.Die Blutzuckermessung hat ihre Anfänge ungefähr im Jahre 1900, als mit Hilfe von Kolorimetern aus einem Viertelliter Blut mit Hilfe chemischer Reagenzien der Blutzuckerwert bestimmt werden konnte. Diese optischen Geräte wurden im Laufe der Jahre ständig weiterentwickelt, blieben aber auf Grund des komplizierten Vorgangs der Mischung mit Chemikalien, Erhitzung etc. für eine Kontrolle im Alltag ungeeignet. Das änderte sich, als im Jahre 1964 der erste Teststreifen auf den Markt kam. Mit Ablesegeräten konnte durch die neue Technologie innerhalb weniger Minuten und mit einem sehr großen Blutstropfen der Blutzucker bestimmt werden. Heute sind eine Vielzahl von Messgeräten am Markt, die mit sehr kleinen Blutmengen innerhalb weniger Sekunden zuverlässige Werte liefern.