Formen der Essstörungen
Anorexia nervosa
Unter einer Anorexia nervosa versteht man eine psychisch bedingte Essstörung mit beabsichtigtem, durch Erbrechen, Abführen oder übertriebene körperliche Aktivitäten selbst herbeigeführtem Gewichtsverlust. Die Magersucht kommt v.a. bei jungen Frauen zwischen dem 10. und dem 25. Lebensjahr vor. Sie ist eine seltene Erkrankung (ca. 1-2% der Bevölkerung) und tritt bei Diabetikern nicht häufiger auf als bei Stoffwechselgesunden.Bulimia nervosa
Bulimia nervosa-Patienten nehmen in exzesshaften „Fressattacken“ in kurzer Zeit große Mengen Nahrungsmittel auf, um anschließend Maßnahmen zu ergreifen, das Körpergewicht in normalem Rahmen zu halten, z.B. durch periodisches Fasten, Missbrauch von Abführmitteln, übertriebene körperliche Aktivitäten. Die Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht) ist in den letzten Jahrzehnten deutlich häufiger geworden. Man schätzt, dass ca. 3 bis 6 Prozent der jungen Frauen mit Diabetes an dieser Essstörung leiden.Gefahr einer Essstörung: Insulin wird bewusst reduziert
Mindestens 90% aller Diabetiker mit einer Anorexia oder Bulimia nervosa sind Frauen. Junge Frauen mit Diabetes und einer Anorexia oder Bulimia nervosa reduzieren nicht selten bewusst ihre Insulininjektionen oder die Insulindosis, um mittels der nachfolgenden Zuckerauscheidung im Urin (Glukosurie) Kilokalorien bzw. Gewicht zu verlieren. Dieses „Insulin-Purging“ kann auf Dauer zu erheblichen Folgeschäden führen.Binge-Eating-Störung
Die Binge-Eating-Störung ist insbesondere für Typ 2 Diabetiker von Bedeutung, da sie in der Regel mit Übergewicht und Adipositas einhergeht. Der Anteil an erkrankten Männern beträgt hier mindestens 30%.Wie wird eine Essstörung bei Diabetes festgestellt?
Bei jungen Mädchenmit Diabetes mellitus liegt im Vergleich zu stoffwechselgesunden Gleichaltrigen häufiger ein gestörtes Essverhalten vor, das zwar nicht alle Kriterien (z.B. einer bulimischen Essstörung) erfüllt, welches aber (z.B. durch Heißhungerattacken) ein erhöhtes Risiko für eine Entgleisung des Stoffwechsels und die Entwicklung von diabetischen Spätschäden beinhaltet.Hinweise sind:
- Untergewicht (BMI unter 18,5)
- Adipositas (BMI über 30) und/oder
- deutlich gestörte Stoffwechselregulierung
Bei Untergewicht: Ist das Untergewicht selbst verursacht (Fasten oder exzessive gegensteuernde Maßnahmen, z.B. Sport oder Insulin-Purging)? Besteht die Überzeugung, trotz Untergewicht zu dick zu sein (Körperschemastörung)?
Bei schlechtem Stoffwechsel: Liegen Essanfälle (Verzehr von großen Mengen Nahrung in kurzer Zeit, Kontrollverlust) vor? Besteht die panische Befürchtung, zu dick zu werden? Bestehen gegensteuernde Maßnahmen (Erbrechen, Abführen oder übertriebene körperliche Aktivitäten)?
Bei Übergewicht: Liegen Essanfälle ohne gegensteuernde Maßnahmen vor? Es kann notwendig sein, dass Ihr Arzt einen Spezialisten für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie hinzuzieht.
Wie werden Essstörungen behandelt?
Im Hinblick auf die Stoffwechseleinstellung können alle Formen gestörten Essverhaltens einen negativen Effekt haben und sind insofern behandlungsbedürftig.Psychotherapie bei Essstörungen
Hat Ihr Arzt eine psychogene Essstörung festgestellt, ist in der Regel eine Psychotherapie angebracht. Sie ist der wichtigste einzelne Behandlungsansatz. Geeignete Verfahren sind die kognitive Verhaltenstherapie, die psychodynamische Psychotherapie, die interpersonelle Psychotherapie und insbesondere bei jungen Menschen, die noch in ihren Familien leben, die Familientherapie.Eine psychotherapeutische Behandlung sollte auch bei isoliertem „Insulin-Purging“ erwogen werden, da dieses selbstschädigende Verhalten mit einer deutlich schlechteren Stoffwechselkontrolle einhergeht. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn und eine ausreichende Behandlungsdauer sind wesentlich, um die Gefahr einer Chronifizierung zu vermindern. Die Frage, ob eine ambulante oder stationäre Behandlung sinnvoll ist, sollte durch einen entsprechenden Facharzt geklärt werden.