Prof. Dr. med. Thomas Haak aus Bad Mergentheim, Vorsitzender des Bundesverbands der Diabetologen in Klinken (BVDK) und Vizepräsident der DDG, sieht in der Schnittstellenproblematik von Kardiologie und Diabetologie eine originäre Aufgabe für die Berufsverbände der Kardiologen, der Diabetologen und der Hausärzte.
Die innere Medizin hat in den vergangenen Jahren eine weitere Aufsplitterung in ihre Schwerpunkte erlebt, und die neue Weiterbildungsordnung trägt diesem Trend weiter Rechnung. Um so erstaunlicher ist es, dass es sich derzeit abzeichnet, dass zwei Schwerpunkte sich annähern – Kardiodiabetologie. Dies mag sicherlich darin begründet sein, dass der Diabetes mellitus kardiovaskuläre Folgeschäden nach sich ziehen kann und kardiovaskuläre Erkrankungen eine Entität mit dem metabolischen Syndrom darstellen.
Wenn immer zwei Fachdisziplinen zusammengehen, sei dies durch den Zusammenschluss von einzelnen Fachbereichen in einer Klinik, so geht dies nicht ohne anfängliche Holperigkeiten. Zunächst gilt immer die Frage zu klären: Wer schluckt wen? Diese Sorge tragen natürlich auch die Diabetologen in sich.
Schließlich treffen sich in der Kardiodiabetologie zwei ungleiche Brüder. Während die Kardiologen eine starke Stellung in der Inneren Medizin haben und natürlich auch als Schwerpunkt anerkannt sind, sind die Diabetologen zwar eine zahlenmäßig große Gruppe, aber immer noch nicht als eigenständiger Schwerpunkt in der Inneren Medizin vollständig anerkannt.
So liegt zunächst der Gedanke nahe, dass die Kardiologen die Diabetologie vereinnahmen könnten. Verstärkt werden solche Befürchtungen durch die Aussagen mancher kardiologischer Meinungsbildner, die sinngemäß postulieren: “Das bisschen Diabetes machen wir schon mit.” Andererseits versuchen die Diabetologen die Kardiologen auf reine Gefäßspezialisten zu reduzieren (“Koronarklempner”). Beides ist sicher falsch. Kardiologie ist weit mehr als nur das Eröffnen verschlossener Koronararterien, sondern beinhaltet viele weitere Aufgaben, angefangen von der Behandlung der Herzinsuffizienz, an der viele Diabetiker leiden, über die Rhythmologie und letztendlich die vaskuläre Medizin an sich.
“Es geht nicht darum, sich gegenseitig Patienten abzujagen.”
Entsprechend ist auch die Diabetologie weit mehr als nur das “Schönmachen von Zucker”. Sie beinhaltet die Behandlung eines komplexen metabolischen Geschehens, genauso wie die Behandlung von Akzeptanzstörungen, Hypoglykämie-Wahrnehmungsproblemen und vielem mehr.
Auch gehören die Behandlung von Begleiterkrankungen des Diabetes zum Repertoire eines jeden Diabetologen. Hierzu zählt beispielsweise die Lipidoptimierung und natürlich auch die Blutdruckeinstellung. Und gerade da ergeben sich Überschneidungen zwischen den beiden Fachgebieten.
Bei einer Volkskrankheit wie dem Diabetes mellitus mit mehr als sieben Millionen betroffener Menschen geht es eigentlich nicht darum, sich gegenseitig Patienten abzujagen, vielmehr wäre die Aufgabe zu klären, wer was macht. Jeder Diabetologe hat in seiner Sprechstunde zahlreiche Patienten, die kardiovaskuläre Problematiken haben, die in die Hände des Kardiologen gehören. Ebenso finden sehr viele Kardiologen in ihren Sprechstunden unzureichend eingestellte Diabetiker. Was liegt da näher, als die Patienten entsprechend zu überweisen. Doch das scheint anscheinend schwierig zu sein.
Während Diabetologen relativ wenig Probleme damit haben, Patienten mit kardiologischen Problemen entsprechend weiterzuüberweisen, scheint es für viele Kardiologen das Problem zu geben, dass sie sich nicht trauen, unzureichend eingestellte Diabetiker zum Diabetologen zu schicken, da sie befürchten, dass die Hausärzte dadurch verärgert und weitere Patienten nicht mehr zugewiesen werden. Und hier setzt eigentlich die Aufgabe der Berufspolitik ein.
Die meisten Probleme der Menschheit lassen sich im Allgemeinen lösen, wenn man miteinander redet, und das ist originäre Aufgabe der Berufsverbände der Kardiologen, Diabetologen und der Hausärzte. Gemeinsame Fortbildungen und Gespräche der Vertreter der Berufsverbände sollten helfen, die Schnittstellen sachgerecht zu definieren und die Mitglieder der Berufsverbände entsprechend zu informieren. Der erste Schritt hierzu ist bereits getan, nachdem sich unlängst die Spitzenvertreter der Kardiologen und Diabetologen zu zwei Gesprächen in Berlin und Frankfurt zusammengefunden hatten.
Diabetologische Fachbereiche in jedem Krankenhaus
Nach einigen kontroversen Diskussionen am Anfang war man sich relativ schnell einig, dass eine gemeinsame Zusammenarbeit sowohl der Patientenversorgung als aber auch der täglichen Arbeit von Diabetologen und Kardiologen zugute kommen wird. Entsprechend kam man überein, sich gegenseitig zu informieren und gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen zu organisieren. Diese Vereinbarungen müssen jedoch noch mit Leben gefüllt werden.
Durch die neuen Entgeltsysteme und die allgemeine Gesundheitspolitik mit dem Ziel, stationäre Behandlung aus Kostengründen einzuschränken, hat ein breites Kliniksterben eingesetzt. Und der Bettenabbau geht weiter. Entsprechend sind viele Kliniken dabei, sich zu reorganisieren und schlank zu schrumpfen. Dies führt natürlich dazu, dass Fachbereiche zusammengeschlossen werden. An den Universitäten hat dies bereits starke Nachteile für die Endokrinologie und Diabetologie gebracht.
Viele der aus Altersgründen ausscheidenden eigenständigen Professuren wurden nicht wieder besetzt. In anderen Häusern wurden Endokrinologien und Diabetologien beispielsweise mit der Kardiologie oder Nephrologie beziehungsweise der Gastroenterologie zusammengelegt. Dies ist sicherlich nachteilig für die Ausbildung der nachfolgenden Diabetologengeneration, aber es ist auch nachteilig für die Patientenversorgung, denn jeder vierte Patient in einem Krankenhaus hat ein metabolisches Problem oder einen manifesten Diabetes mellitus.
Daher fordert die Berufspolitik und natürlich auch die Gesundheitspolitik, dass diabetologische Kompetenz in Kliniken vorzuhalten ist. Unter Würdigung der Gesamtsituation und der Tatsache, dass der Diabetes eine Volkskrankheit ist, sollte in jeder Klinik ein diabetologischer Schwerpunkt sichergestellt sein. Dieser sollte eine eigene Führung haben und ein entsprechend nachgeordnetes Diabetesteam. Die Aufgaben eines solchen Fachbereiches sind die Sicherstellung einer bestmöglichen Versorgung und die metabolische Überwachung von Patienten, die mit Diabetes, aber nicht unbedingt wegen eines Diabetes in die Klinik aufgenommen werden.
Noch immer kommt es vor, dass Patienten zu operativen Eingriffen in eine Klinik aufgenommen werden und dabei der Diabetes mit zum Teil fatalen Folgen entgleist. Aber nicht nur das Wohl der Patienten steht hier im Vordergrund, es rechnet sich auch für die Kliniken. Durch eine optimale diabetologische Betreuung und richtige Codierung der Patienten lassen sich, wie Untersuchungen bereits gezeigt haben, deutliche Erlössteigerungen erzielen, die wiederum den Aufwand einer Klinik-Diabetologie wettmachen. Solche Konzepte sind neu und bislang nur an wenigen Stellen eingeführt. Es ist Aufgabe der Berufspolitik, diesen Prozess zu unterstützen und zu fördern. In enger Abstimmung mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft als Fachgesellschaft sind die Chancen für eine Festigung der Diabetologie in der klinischen Versorgung gut.