Stolze 2,5 Millionen Diabetiker sind mittlerweile in Disease Management Programme (DMPs) eingeschrieben. Wie ist die Bilanz nach sieben Jahren?
Im Jahr 2001 wurden die strukturierten Behandlungsprogramme für Typ-2-Diabetiker ins Leben gerufen, wenige Jahre später folgten Programme für Typ-1-Diabetiker. Durch eine vorgegebe Art der Behandlung, die zu dokumentieren ist, sollen sie die Versorgung der Patienten verbessern. Welche Bilanz nach sieben Jahren aus Sicht der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) zu ziehen ist, erläuterte PD Dr. Rainer Lundershausen, Pressesprecher der DDG, anlässlich der Eröffnung der 43. Jahrestagung der DDG.
Blutzucker zufriedenstellend bis ausreichend
Die vorliegenden Therapieergebnisse unterscheiden sich zunächst deutlich in den verschiedenen Behandlungsebenen. Im hausärztlichen Bereich erreichten nur etwa 20% der eingeschriebenen Diabetiker das vereinbarte Stoffwechselziel eines normnahen Blutzuckers. Besser sieht es bei den Patienten der rund 1.300 diabetologischen Schwerpunktpraxen aus. 60% der Patienten, die mit Insulin behandelt werden, und 70% derjenigen, die orale Antidiabetika erhalten, lagen im gewünschten HbA1c-Bereich unter 6,5%. Die in Projekten von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen nachgewiesene Betreuungsqualität der spezialisierten Praxen hat sich damit bestätigt, so Lundershausen.
Risiko Bluthochdruck besser behandeln!
Intensiver zu behandeln ist bei vielen Patienten in den DMP-Programmen der Blutdruck. Hypertonie gilt als elementarer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Blutdruckwerte unterhalb 140/90 mmHg, also ein für die Normalbevölkerung akzeptabler Wert, erzielten selbst Patienten diabetologischer Schwerpunktpraxen nur zu etwa 45 bis 50%. Wurden Patienten in Hausarztpraxen betreut, lag der Anteil der kontrollierten Hypertoniker noch niedriger. Dabei gilt für Diabetiker eigentlich sogar ein strengerer Zielwert von 130/80 mmHg. Jeder Millimeter Blutdrucksenkung senkt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um mehrere Prozent.
“Riesen-Feldversuch DMP”
“Trotz zunehmender Patientenzahlen in DMPs existiert in Deutschland noch keine ausreichende Versorgung von Diabetikern in der Fläche”, bemängelte der DDG-Sprecher. Als Manko im System der Disease Management Programme wertete Lundershausen die fehlende Risikostratifizierung*. Wichtig wäre es, die DMPs den Risikoprofilen der einzelnen Patienten anzupassen. Mangels Einstufung der Patienten in ihre sehr unterschiedlichen Risikoklassen (z.B. Diabetiker mit oder ohne weitere Risikofaktoren wie Rauchen oder Bluthochdruck) komme es nicht zu einer spezialisierten Betreuung besonders gefährdeter Patienten.
Etwa 15% dieser “Risikopatienten” verursachen aber 60 Prozent der Gesamtkosten des Diabetes, ergänzte Prof. Hans Hauner, Tagungspräsident des DDG-Kongresses. Die beiden Diabetologen bemängelten außerdem, dass die von der DDG geforderte Evaluierung der Behandlungsprogramme ebenso wie die Einrichtung eines Diabetesregisters bislang beim Bundesministerium und dem Bundesversicherungsamt auf taube Ohren gestoßen seien.
Evaluierung bedeutet den wissenschaftlichen Nachweis, dass die angenommenen Verbesserungen der Versorgung auch tatsächlich eintreten. Insgesamt lassen sich zur Effektivität des “Riesenfeldversuches DMP” sieben Jahre nach dem Start keine konkreten Aussagen machen, so Lundershausen. Die DDG habe hingegen durch das Erarbeiten von Behandlungsleitlinien und die Einrichtung des Nationalen Aktionsforums Diabetes mellitus (NAFDm) einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Diabetikerversorgung geleistet.
*Risikostratifizierung (auch Risikostratifikation: von lat. stratum Schicht, facere machen) das Einschätzen des Risikos, mit dem eine Erkrankung fortschreitet