Angststörungen, Depressionen und Essstörungen: Diese Krankheiten stellen für Menschen mit Diabetes und deren Therapeuten eine besondere Herausforderung dar. Die neue Leitlinie „Psychosoziales und Diabetes“ beschreibt den aktuellen Wissenstand und gibt Hinweise und Tipps für das Erkennen und Behandeln dieser Erkrankungen.
Das Risiko für eine Depression ist bei Menschen mit Diabetes zwei- bis dreifach erhöht. Jeder zehnte Diabetiker ist betroffen. Daraus resultiert eine eingeschränkte Lebensqualität. Die depressiven Symptome beeinträchtigen die eigenverantwortliche Behandlung, Therapietreue und Prognose (schlechtere Einstellung, mehr Folgeerkrankungen, höhere Gesundheitskosten) des Diabetes.
Angststörungen finden sich bei 9% der Allgemeinbevölkerung und sollen bei Menschen mit Diabetes nicht häufiger sein; allerdings können spezielle Ängste die Diabetes-Behandlung deutlich beeinträchtigen: Vor allem die Angst vor Unterzuckerungen ist problematisch, wenn ein sogenannter „Wohlfühl-Zucker“ persönlich als Zielbereich festgelegt wird, der über dem nach medizinischem Wissen erforderlichen Ziel-Blutzucker liegt.
Esstörungen stellen eine besondere Herausforderung für die Betreuung dar.
Als Risikofaktor gelten chronische Erkrankungen in der Phase der Persönlichkeitsentwicklung und Erkrankungen, die eine Kontrolle der Nahrungsaufnahme verlangen – beide Kriterien sind bei jungen Typ-1-Diabetikern erfüllt; während die Anorexia nervosa (Magersucht) bei Diabetikerinnen nicht häufiger sein soll nimmt die Zahl der Bulimie-Erkrankungen („Fress-Sucht“) deutlich zu und soll bereits dreimal häufiger bei jungen Diabetikerinnen vorkommen, als bei Gleichaltrigen ohne Diabetes-Erkrankung. Bei krankhafter Furcht dick zu werden wechseln „Fressattacken“ mit nachfolgend gegenregulierenden Maßnahmen. Erbrechen und die Einnahme von Abführmitteln sind gängige Methoden; bei Menschen mit Diabetes spielt aber vor allem das Insulin-Purging eine bedeutende und sehr problematische Rolle: Dabei wird das erforderliche Insulin zu den Mahlzeiten bewusst reduziert oder gar weggelassen. Nachfolgend scheidet die Niere der Betroffenen große Mengen Zucker und somit Kalorien aus. 60% der essgestörten und immerhin 30% der jungen Diabetikerinnen ohne Essstörungen sollen diese Methode anwenden. Folgen sind Ketoazidosen, schwankende Zuckerwerte ohne erkennbare Systematik, schlechtere HbA1c-Werte und eine schlechtere Langzeitprognose.
Leichten psychischen Störungen und Erkrankungen können Behandler im Rahmen der Diabetesbetreuung (Schulung, engmaschige Betreuung, Empowerment-Konzept) und der hausärztlichen psychosomatischen Grundversorgung begegnen. Nicht selten aber bedarf es einer fachärztlichen psychotherapeutischen Behandlung; und der Anspruch auf speziell diabetologisch ausgebildete Psychotherapeuten („Fachpsychologe Diabetes DDG“) bleibt leider nicht selten nur Wunsch.