DDG zu den Ergebnissen der ACCORD- und ADVANCE-Studien: Blutzucker bei Typ-2-Diabetes mellitus umsichtig senken – Vermeidung von Nebenwirkungen hat Vorrang
Die langfristige Blutzuckersenkung bleibt ein zentrales Ziel der Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus. Nur eine Annäherung des Blutzuckerspiegels an den eines Gesunden kann Spätfolgen des Diabetes effektiv verhindern. Oberste Priorität in der Therapie hat jedoch die Vermeidung von Risiken und Nebenwirkungen der Blutzucker senkenden Medikamente. Dies teilt die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) nach Auswertung der Ergebnisse zweier Studien mit, die ihrer seit Veröffentlichung viele Patienten und Ärzte verunsichert haben.
Ein Maßstab für die langfristige Senkung des Blutzuckers ist der HbA1c-Wert. Das ist der Anteil des roten Blut-Farbstoffs, der Zucker gebunden hat. Der HbA1c-Wert liegt beim Gesunden bei unter 6%. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus war ein HbA1c-Wert von 7% bisher das Ziel. In der ADVANCE-Studie und der ACCORD-Studie gelang es, den HbA1c-Wert der Teilnehmer auf einen Normwert von unter 6,5% zu senken. Diabetologen in aller Welt erhofften sich davon, noch besser diabetische Folgekrankheiten vermeiden zu können – vor allem die der großen Gefäße: Herzinfarkt und Schlaganfall. Sie sind die häufigsten Todesursachen von an Diabetes erkrankten Menschen.
Vorzeitiger Abbruch der ACCORD-Studie
Im Frühjahr 2008 wurde die ACCORD-Studie vorzeitig abgebrochen, weil die Anzahl der Todesfälle um 22% angewachsen war. In der ADVANCE-Studie waren die Ergebnisse positiver: Hier konnte die Anzahl der Patienten mit Nierenschäden durch Nephropathien um 21% gesenkt werden. Die Nephropathie ist eine mögliche Folge der diabetesbedingten Schädigungen der kleinen Blutgefäße.
Die Ursachen für den ungünstigen Ausgang der ACCORD-Studie sind nach Einschätzung der DDG derzeit noch unklar. Aus dem Vergleich mit den besseren Ergebnissen der ADVANCE-Studie lassen sich aus Sicht der DDG jedoch erste Schlüsse ziehen. In der ACCORD-Studie mussten die Patienten zum Erreichen des HbA1c-Zieles häufig mehrere Tabletten mit mehreren verschiedenen Wirkstoffen einnehmen. Außerdem spritzten viele Patienten Insulin.
Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten könnten für den ungünstigen Ausgang der Studie möglicherweise mitverantwortlich gewesen sein, befürchtet die DDG. Sie rät den Ärzten deshalb dringend von der gleichzeitigen Verordnung von mehr als zwei Wirkstoffen ab, wenn die Sicherheit der jeweiligen Mehrfachkombinationen nicht ausreichend belegt ist. Dies gelte vor allem, wenn die Patienten zusätzlich Insulin spritzen.
Außerdem empfiehlt die DDG den Ärzten, das Gewicht der Patienten im Blick zu behalten. In der ACCORD-Studie hatten mehr als 25% der Patienten mehr als 10 Kilogramm zugenommen.
Die Empfehlungen, die die DDG aus diesen Erkenntnissen ableitet, sind eindeutig
Eine Senkung des HbA1c-Wertes auf unter 6,5% ist weiterhin ein erstrebenswertes Ziel der Diabetes-Behandlung. Sollte dieses Ziel aber nur mit einem erhöhten Risiko gefährlicher Nebenwirkungen der Medikamente erreicht werden können, sollten Ärzte und Diabetiker sich mit einem HbA1c-Wert von 7% zufriedengeben.
Die DDG plant, ihre Leitlinien zu überarbeiten. Bei der Neufassung sollen neben den Ergebnissen der ACCORD- und ADVANCE-Studien auch die Ergebnisse weiterer Studien berücksichtig werden, die Mitte September auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Rom vorgestellt werden sollen.
Weitere Informationen
Die Ergebnisse der Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes oder ACCORD-Studie und der Action in Diabetes and Vascular disease: Preterax and Diamicron-MR Controlled Evaluation oder ADVANCE-Studie wurden auf der Jahrestagung der American Diabetes Association (6.-10.Juni) vorgestellt und im im New England Journal of Medicine publiziert.
The Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group: Effect of Intensive Glucose Lowering in Type 2 Diabetes. N Eng J Med (2008) 358:2545-2559
The ADVANCE Collaborative Group: Intensive Blood Glucose Control and Vascular Outcomes in Patents with Type 2 Diabetes. N Eng J Med (2008) 358:2560-2572