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Infarktrisiko: Lipidwerte sagen nicht alles

Das HDL-Dogma wankt – Menschen mit vererbt niedrigem Spiegel an HDL-Cholesterin sind nicht stärker herzgefährdet als andere – zumindest zeigt dies ein Experiment der Natur Diabetiker haben bekanntermaßen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Als wichtiger Risikofaktor gilt gemeinhin ein verändertes Blutfettprofil. Die gefährliche Konstellation besteht nach der Lehrmeinung in erniedrigten Blutspiegeln an HDL (High-Density-Lipoprotein, eine bestimmte Fraktion des Blutcholesterins), erhöhten Spiegeln für Triglyzeride und kleinen, dichten LDL-Partikeln (Low-Density-Lipoprotein). Schon vor 30 Jahren wurde die These vom reversen Cholesterintransport aufgestellt. Danach transportieren HDL-Teilchen gefäßverengendes Cholesterin aus der Gefäßwand zurück zur Leber. Sie sind der gefäßschützende Gegenspieler der LDL-Teilchen. “Ein Experiment der Natur” bei Menschen, deren HDL-Spiegel genetisch bedingt niedrig sind, bringt diese pauschale Annahme ins Wanken. KHK-Risiko sogar geringer als üblich Dänische Forscher untersuchten Menschen mit einer bestimmten Genmutation (siehe unten), die besonders niedrige HDL-Spiegel aufweisen. Die Betroffenen hatten einen durchschnittlichen HDL-Spiegel von 41 mg/dl, gegenüber 58 mg/dl im Gesamtkollektiv von über 56000 Persoenen, aus denen diese Fälle stammten. Die Differenz von 17 mg/dl würde statistisch eine Erhöhung des KHK-Risikos um den Faktor 1,7 bedeuten. Jedoch lag das relative KHK-Risiko der Personen mit mutiertem Gen nur bei 0,93. Das eher erniedrigte Risiko war auch nicht mit niedrigen LDL-Spiegeln zu erklären; sie lagen im Normbereich. Umgekehrt trifft auch die Annahme nicht immer zu, dass besonders hohe Spiegel an HDL-Cholesterin vor koronarer Herzkrankheit schützen. Die dänischen Forscher vermuten nun, dass es für das Gefäßrisiko gar nicht auf die Höhe des HDL-Cholesterins ankommt, sondern auf seine Qualität. Scheinbar gibt es gefäßschützende, aber auch entzündungsfördernde Varianten des Lipoproteins. Letztere würden die Atherosklerose fördern statt vermindern. HDL über 60 mg/dl gilt als herzschützend Die meisten Forscher sind aber der Meinung, dass die Ausnahmen nicht die Regel aufheben, wonach HDL über 60 mg/dl als kardioprotektiv angesehen wird. Der Grenzwert für niedriges HDL wird bei 40 mg/dl gesehen. Selten: Vererbter HDL-Mangel An der Entstehung der HDL-Teilchen, die überschüssiges Cholesterin aus der Gefäßwand abtransportieren und so die Gefäße schützen, ist das Gen und Protein ABCA1 beteiligt. Das Protein transportiert Cholesterin und Phospholipide aus dem Zellinneren von Makrophagen an die Oberfläche, wo dann das High-Density-Lipoprotein (HDL) gebildet wird. Bei Menschen mit der sehr seltenen Tangier-Erbkrankheit liegen reinerbig (homozygot) bestimmte Mutationen im Gen ABCA1 vor. Dies führt zu unmessbar niedrigen HDL-Blutspiegeln. Bei nur teilweiser Vererbung (Heterozygotie) entsteht der “familiäre HDL-Mangel”, die HDL-Spiegel sind deutlich erniedrigt. Triglyzeride sind nicht verändert. Redaktion: Ralf Schlenger, Apotheker
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