Frühkindliche Ernährung und Typ-1-Diabetes
Fischöl schon für Babys?Schon was der Säugling zu sich nimmt, entscheidet neben den Genen über sein Risiko, Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Lange stillen, spät zufüttern – und woran Eltern zur Vorbeugung noch denken können.
Antikörper gegen die eigenen insulinproduzierenden Zellen, die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, lösen den Typ-1-Diabetes aus. Diese Insel-Antikörper (oder Autoantikörper) treten häufig schon ganz früh im Leben auf. Lassen sie sich vor dem zweiten Lebensjahr nachweisen, entwickelt das Kind nahezu sicher bis zur Pubertät einen Typ-1-Diabetes. Eine Faustregel der Diabetologen lautet: Je mehr verschiedene Autoantikörper, und je früher sie auftreten, desto schneller werden die Betazellen zerstört und der Diabetes tritt zutage. Dahinter steht eine erbliche Veranlagung, die jedoch die Erkrankung nur etwa zur Hälfte erklärt. Umweltfaktoren, beim Säugling insbesondere die Ernährung, spielen eine vergleichbar große Rolle. Forscher vermuten heute als Einflussgrößen auf das Typ-1-Diabetes-Risiko:
- die Dauer des Stillens
- der Zeitpunkt, zu dem Beikost eingeführt wird
- die Art der Beikost
- die Versorgung mit Vitamin D und Fischöl
Getreide-Beikost: nicht zu früh
Die DAISY-Studie (Diabetes Autoimmune Study in the Young) untersuchte die Ernährung von Kindern mit erblicher Vorbelastung oder nahen Verwandten mit Typ-1-Diabetes. Ein markant höheres Risiko, Autoantikörper und damit einen späteren Typ-1-Diabetes zu entwickeln, lag vor, wenn sie getreidehaltige Beikost vor dem vierten Lebensmonat (4,3-faches Risiko) oder aber erst nach dem sechsten Lebensmonat (5,4-faches Risiko) erhalten hatten. Die wenigsten Antikörper entwickelten in dieser Studie die Babys, denen in dem Zeitfenster zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat erstmals Getreidebrei zugefüttert wurde.
Auch in der BABYDIAB-Studie stieg später das Diabetesrisiko bei Kindern, die als Babys erstmals vor dem dritten Lebensmonat glutenhaltiges Getreide bekommen hatten. Man vermutet, dass Gliadin, ein Bestandteil des Glutens (Klebereiweiß des Getreides), Entzündungen an der Dünndarmschleimhaut hervorruft und die Durchlässigkeit für schädigende Stoffe fördert. Diese Durchlässigkeit ist bei Säuglingen sowieso noch höher als bei Erwachsenen.
Dass auch Kuhmilcheiweiß eine Rolle spielt, zeigte u.a. die TRIGR-Studie (Trial to Reduce Diabetes in the Genetically at Risk). Erblich belastete Babys, die nach dem Abstillen eine herkömmliche Formulanahrung auf Kuhmilchbasis erhielten, entwickelten in der Zeit von knapp fünf Jahren zu 22% Autoantikörper; ihre Altersgenossen, die Hydrolysatnahrung bekamen, aber nur zu 13%. Hydrolysatnahrung enthält kein intaktes Kuhmilcheiweiß mehr.
Experten raten Müttern heute, Babys in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten voll zu stillen und Beikost erst im Alter von fünf bis sieben Monaten einzuführen.
Stoppt Vitamin D den Diabetes?
Vitamin D (1, 25-Dihydroxy-Colecalciferol) beeinflusst wahrscheinlich positiv Immunreaktionen bei Diabetes Typ 1 und weiteren Autoimmunkrankheiten wie multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis. Nach Ergebnissen der großen EURODIAB-Studie senken Vitamin D-Gaben im ersten Lebensjahr das Risiko für Typ-1-Diabetes um etwa 30%. Unklar ist, ob die übliche, von Kinderärzten empfohlene Dosis von 10 bis 12,5 Mikrogramm (µg) Vitamin D (400 – 500 Einheiten) für den Schutzeffekt genügt. In einer finnischen Studie (Hyppönen, Lancet 2001) waren es 2000 Einheiten Vitamin D, welche die Diabetesentwicklung bremsten. Allerdings ist der normale Vitamin-D-Spiegel von Finnen wegen der geringeren UV-Strahlung niedriger als bei Mitteleuropäern und erfordert daher höhere Ergänzungs-Dosierungen.
Günstige Effekte von Fisch-Fettsäuren
Fischöl enthält nicht nur Vitamin D, sondern auch die langkettigen, essenziellen Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eisosapentaensäure (EPA). Die Omega-6-Fettsäuren verschieben das Gleichgewicht im Prostaglandin-Stoffwechsel in Richtung entzündungshemmender Botenstoffe (Eicosanoide). Man vermutet, dass bei der Entstehung des Typ-1-Diabetes Entzündungsvorgänge eine Rolle spielen. Zwei norwegische Studien haben festgestellt, dass Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft Fischölkapseln einnahmen, ein um 70% niedrigeres Diabetesrisiko aufwiesen.
Keine Nitrate ins Trinkwasser
Womöglich spielt auch die Nitrat- und Nitritaufnahme mit der kindlichen Nahrung eine Rolle bei der Bildung von Inselantikörpern. Nitrosoverbindungen schädigen im Tierversuch die Betazellen des Pankreas. Nitrat wird bei Kindern normalerweise nur über das Trink- bzw. Babywasser zugeführt, der Gehalt sollte diesbezüglich sowieso möglichst niedrig sein. Die Trinkwasserverordnung begrenzt in Deutschland den Nitratgehalt des Leitungswassers auf unbedenklich 50 mg/l. Spezielles abgepacktes Wasser (Babywasser, geeignetes Mineralwasser) mit der Kennzeichnung “Geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung” darf sogar nur 10 mg/l Nitrat und 0,02 mg/ l Nitrit enthalten. Auskunft über den Mineralstoffgehalt im Leitungswasser gibt das örtliche Wasserwerk.
Fazit
Für eindeutige Ernährungsempfehlungen zur Verhinderung einer Typ-1-Diabetesentwicklung reicht die Studienlage noch nicht aus. Wahrscheinlich wirken sich aber längeres Stillen, Verzicht auf frühe Getreide- und Kuhmilchgabe und die Zufuhr von Vitamin D und Omega-6-Fettsäuren günstig aus. Bis auf weiteres bleibt es bei den Empfehlungen der nationalen Stillkommission: Kinder in den ersten vier bis sechs Monaten – wenn möglich – ausschließlich stillen und Beikost erst im Alter von fünf bis sieben Monaten einführen.