Stellungnahmen zum IQWIG-Vorbericht – ein alter Streit
Was sagen Wissenschaftler und Industrie zur Nutzenbewertung aus dem Hause Sawicki? Es gibt harsche Ablehnung, aber auch differenziertere Betrachtungen. Wenn Qualität aus Diskussion entsteht, dann kann schon der Vorbericht des IQWIG für sich in Anspruch nehmen, für eine dem Namen des Instituts entsprechende Qualitätssteigerung in der Bluthochdruck-Therapie gesorgt zu haben. Denn Diskussionen ausgelöst hat das Papier, zumindest jedoch Stellungnahmen. Die Industrie strengte sich an, etwas Positives zu sehen, “das IQWiG hat mit seinem Vorbericht die Bedeutung einer effektiven Bluthochdruck-Therapie unterstrichen”, teilte Boehringer Ingelheim mit. Den Auftrag, zwar die erste Therapieoption zu untersuchen, nicht jedoch die Bluthochdruck-Therapie in ihrer gesamten Komplexität zu bewerten, erscheint dem Unternehmen aber als unzureichend. Eines der wesentlichen Merkmale der Hypertonie-Therapie sei die Kombinationstherapie. Ein großer Kritikpunkt für die Unternehmen ist das Fehlen des Zielparameters Blutdrucksenkung. So bedauerte Prof. Dr. Michael Höcker, Mitglied der Geschäftsleitung bei AstraZeneca gegenüber der Ärztezeitung, dass Studien mit dem primären Endpunkt Blutdrucksenkung ausgeschlossen wurden. “Hierin steckt eine enorme, jahrelange Erfahrung mit den untersuchten Mitteln.” Novartis und Takeda verwiesen zudem auf die Verfahrensregeln des neuen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes, diese Regeln seien beim Vorbericht bislang nicht berücksichtigt worden. Takeda hält die Bewertung für “eine grobe Vereinfachung des Sachverhaltes zu Lasten der Patienten” nicht alle relevanten Studien seien berücksichtigt worden. Hochdruckliga: Grundsätzlich überarbeiten Auch die Deutsche Hochdruckliga fand klare Worte und sprach davon, dass Studien nach eigenen Kriterien herausgesucht würden und schließlich der Vorbericht “zielgenau das als Erkenntnis verkündet, was das eigentliche Ziel war: Kostenersparnis im Gesundheitswesen.” Sie fordert den Vorbericht grundsätzlich zu überarbeiten. In die Erörterung der Wirtschaftlichkeit der antihypertensiven Therapie müsse eine übergreifende ökonomische Analyse der Erkrankung Hypertonie und ihrer Folgeschäden einfließen. Die einseitige Betonung der Kosten für Medikamente und die Vernachlässigung von langfristigen Nebenwirkungen konterkariere den Gedanken einer präventiven Medizin. In der Frage nach Hypertonietherapie bei Menschen mit Diabetes werde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, “die Deutsche Hochdruckliga hält ein solches Vorgehen für zynisch und patientenverachtend”, schreibt sie in ihrer ersten Stellungnahme. Es sei offensichtlich, dass die Art und die Anzahl der Nebenwirkungen entscheidend für die Compliance sei. Zu diesem extrem wichtigen Thema werde im Vorbericht des IQWIG keine Aussagen gemacht. Im Gegenteil, Studien zur Compliance würden erst gar nicht in die wissenschaftliche Analyse mit einbezogen. Die Aussage des Vorberichts sei “mit schwerwiegenden methodischen Problemen erkauft worden”, kritisierte die Hochdruckliga weiter. So würden nur 16 Studien mit insgesamt etwa 92.000 Patienten berücksichtigt, allerdings etwa 33.000 davon aus der ALLHAT Studie, die wiederholt bezüglich Methoden und Schlussfolgerungen kritisiert worden sei. Wichtige große Studien wie ASCOT mit über 19.000 Patienten oder ANBP2 mit über 6.000 Patienten, in denen modernere Antihypertensiva gut abschnitten, seien nicht in die Beurteilung einbezogen. “Dies ist Gesundheitspolitik getarnt als medizinische Wissenschaft”, verurteilten die Experten. Sie fürchteten außerdem, dass die Formulierung “außer wenn es für den Arzt oder den Patienten gute Gründe gibt, davon abzuweichen” in der Praxis bedeute, dass die meisten Patienten zuerst mit Diuretika und nur beim Auftreten von ernsten Problemen mit anderen Mitteln behandelt würden. Langfristige Nebenwirkungen oder geringfügige medizinische Probleme würden in die Überlegungen des IQWiG erst gar nicht mit einbezogen oder kategorisch als irrelevant abgetan. Praxisferne Regel mit vielen AusnahmenStatements zum Bericht
Nicht alle in diesem Land scheinen in gleicher Weise davon überzeugt, dass wir in diesem Bereich Therapieinnovationen brauchen.
Prof. Dr. med. Diethelm Tschöpe, Bad Oeynhausen
Die Angst, dass man mit einem Diuretikum in einer Monotherapie dem Diabetiker schadet, ist nicht berechtigt.
Priv.-Doz. Dr. med. Rafael Schäfers, Oberhausen
Die Beantwortung einer dummen Frage nach der besten Monotherapie.
Prof. Dr. med. Heinrich Holzgreve, München
Die jahrzehntelangen Bestrebungen um eine Evidenz-basierte, optimale und nebenwirkungsarme Hochdrucktherapie werden mit dem Bericht ad absurdum geführt.
Prof. Dr. med. Thomas Philipp, Essen
Die ganz harte Evidenz dafür, dass eine Substanzklasse wirklich besser ist als die andere, gibt es nicht.
Prof. Dr. med. Thomas Eschenhagen, Hamburg
Wenn alle 20 Millionen Hochdruckpatienten in Deutschland statt mit einem unbedenklichen ACE-Hemmer mit einem kostengünstigen Diuretikum behandelt würden, würde dies ein Mehr von knapp 700.000 Diabetikern in Deutschland bedeuten.
Prof. Dr. med. Rainer Düsing, Bonn