Die spezialisierte diabetologische Betreuung wird geopfert
admin
Offener Brief des Bundesverbandes niedergelassener Diabetologen
an die Bundesministerin für Gesundheit Frau Ulla Schmidt
an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages
an die Gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen des Deutschen Bundestages
an die Kassenärztliche Bundesvereinigung
an die Kassenärztlichen Vereinigungen
an die Spitzenverbände der Krankenkassen
an die Patientenverbände
an die Medien
Die spezialisierte diabetologische Betreuung in Deutschland wird geopfert
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen der Neugestaltung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für die ärztlichen Leistungen im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung ist es zu einer folgenschweren Fehlbewertung diabetologischer Schwerpunktpraxen in Deutschland durch den Bewertungsausschuss gekommen, da insbesondere im hausärztlichen aber auch im fachärztlichen Bereich essentielle Betreuungsziffern wegfallen.
Sollte es keine Änderung an der jetzt beschlossenen Regelung geben, bedeutet dies eine Kürzung von circa 1000 Punkten bzw. 60 Prozent der vom Diabetologen abrechenbaren Leistungsmenge.
Der Bundesverband der niedergelassenen Diabetologen fürchtet deshalb eine massive Verschlechterung der Versorgung der Menschen mit Diabetes in Deutschland ab dem 1. Januar 2008 und wendet sich entschieden gegen die Verzögerungen im Bewertungsausschuss. Nach zwei Verhandlungsrunden kamen die KBV und die Krankenkassen zu keinem greifbaren Ergebnis zur Sicherung der diabetologischen Betreuung in Deutschland.
Als Diabetologen sind wir verantwortlich für die Betreuung von Risikopatienten mit Diabetes mellitus und haben in den vergangenen Jahren durch qualitätsgesicherte Arbeit erreicht, dass viele ehemals stationäre Leistungen wie Schulungen und Behandlung von Komplikationen (Beispiel diabetischer Fuß) ambulant therapiert werden können.
Mit der durch den EBM 2008 geschaffenen Situation ist eine qualitätsgesicherte Betreuung der circa sieben Millionen Menschen mit Diabetes mellitus in Deutschland betriebswirtschaftlich nicht mehr möglich. Die aufwändige Betreuung, Beratung und Schulung durch unsere Diabetesberaterinnen und -assistentinnen können von den Schwerpunktpraxen nicht mehr angeboten werden.
Ebenso sind die Disease-Management-Programme (DMP) mit unserer Hilfe implementiert und gemeinsam mit den Hausärzten zum Erfolg geführt worden. Diese Programme, die eine deutliche Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker bewirkt haben, stehen nun vor dem Aus.
Es scheint den Verantwortlichen nicht klar zu sein, dass durch die Arbeit der Diabetologen und die damit verbundene Etablierung des Systems der Diabetologischen Schwerpunktpraxen für die Behandlung der Menschen mit Diabetes mellitus Grundlegendes geleistet wurde. Nur so konnte eine flächendeckende Versorgung implementiert werden, die wiederum mitentscheidend für den Erfolg der Disease-Management-Programme (DMP Diabetes mellitus Typ 2 und Typ 1) war und ist.
Will man das wirklich aus Kostengründen wegrationalisieren? Wenn man sich das nicht mehr leisten will, dann soll das bitte den betroffenen Menschen mit Diabetes mellitus klar gesagt werden:
Ohne eine betriebswirtschaftlich ausgewogene Vergütung kann es ab 1. Januar 2008 keine spezialisierte ambulante diabetologische Betreuung in Deutschland mehr geben!
Unsere Vorschläge einer angemessenen Vergütung entsprechen den bisherigen Leistungen des EBM 2000plus. Damit fordern wir für die diabetologischen Schwerpunktpraxen im hausärztlichen Bereich die Versichertenpauschale in voller Höhe inklusive Chronikerzuschlag auch bei Überweisung durch den Hausarzt. Für die diabetologischen Schwerpunktpraxen im Facharztbereich eine adäquate Kompensation der Ziffer 13220.
Um eine Lücke im EBM 2008 zu schließen, sollte ab 1. Juli 2008 ein so genannter diabetologischer Leistungskomplex nach § 87, Absatz 2b und 2c SGB V sowohl für hausärztliche als auch fachärztliche diabetologische Schwerpunktpraxen greifen. Unsere Vorschläge hierzu liegen den entsprechenden Gremien bereits vor.
Wir fordern alle Beteiligten auf an einer Lösung mitzuarbeiten, um die hohe Qualität der Versorgung aufrecht zu erhalten und das unwürdige Spiel mit den völlig verunsicherten Menschen mit Diabetes mellitus und den Ärzten sowie den Mitarbeitern der diabetologischen Schwerpunktpraxen zu beenden.
Mit freundlichen Grüßen