Prof. Dr. Christoph Rosak
Prävention, Diagnostik und Therapie von Adipositas und Typ 2 Diabetes
“Mehr als 80% der Menschen mit einem Typ 2 Diabetes sind übergewichtig”. Deshalb beschäftigt sich der DDG-DAG-Kongress in Berlin mit der Prävention, Diagnostik und Therapie von Adipositas und Typ 2 Diabetes. Interview von Susan Röse mit dem Kongresspräsidenten Herrn Prof. Dr. Rosak
Herr Prof. Dr. Rosak können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Christoph Rosak. Ich bin derzeitig Ärztlicher Direktor und Leiter der Abteilung Endokrinologie/Diabetologie am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt. Meine internistische und endokrinologisch/diabetologische Ausbildung habe ich am Zentrum für Innere Medizin des Universtitätsklinikums Frankfurt bei Prof. Dr. Karl Schöffling erhalten. 2 Jahre Post-Doctoral-Fellowship an der University of Massachuesetts in den Vereinigten Staaten. Seit 1987 Chefarzt am Krankenhaus Sachsenhausen.
Sie sagen, dass für beide Erkrankungen die nicht pharmakologischen Maßnahmen mit Ernährungsmodifikation und Bewegungstherapie Grundlage einer jeden Behandlung sind, welche neuen Erkenntnisse gibt es auf dem Gebiet der Ernährung und der Bewegungstherapie, sollten beide nicht absolute Priorität in der Behandlung beider Krankheitsbilder haben?
Die wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre ist der Zusammenhang von Zunahme der Fettgewebsmasse und sekretorischer Aktivität des Fettgewebes. Bei zunehmendem Körpergewicht werden “entzündungsfördernde Substanzen” wie TNF-a und Interleukin-6 gebildet, die in Kombination mit verminderter Adiponektin-Sekretion die Basis zu früher und verstärkter Atherogenese an den Gefäßwänden bilden. Diese Vulnerabilität wird durch Dislipidämie (Erhöhung der freien Fettsäuren), erhöhte Tromboseneigung (verstärkte Bildung von PAI-1) und verstärkte Angiotensinogenbildung, welche Hypertonie induziert, verstärkt. Zusammen führen diese Phänomene zu verstärkter und verfrühter Makro- und Mikroangiopathie.
Sie sagen, dass bei den pharmakologischen Strategien nicht nur neue Therapieansätze diskutiert werden, sondern deren Umsetzung und Anwendung, wie soll man sich das genau vorstellen, welches sind Ihrer Meinung nach die besten Ansätze für die Zukunft?
Die Anwendung der derzeitigen Pharmaka und von Insulin muss sich vor dem Hintergrund der ACCORD-Studie neu definieren:
- Voraussetzung ist eine Zielwertdefinition des HbA1c-Wertes für den individuellen Patienten.
- Vermeidung von Hypoglykämien
- Vermeidung von Gewichtszunahme
Dies wird sich nur dann realisieren lassen, wenn man den repetitiv geschulten Patienten wieder in den Mittelpunkt stellt, auf lang wirksame Sulfonylharnstoffe weitgehend verzichtet. Eine Option könnten die DPP-4-Inhibitoren und Inkretin-Mimetika sein. Patienten, die unter Humaninsulin unter Hypoglykämien leiden, sollten auf Insulinanaloga umstellt werden.
Sollte nicht die Prävention, die Früherkennung und die gesellschaftspolitische Verantwortung (frühe Aufklärung und Information, stärkerer
Verbraucherschutz), dieser beiden Krankheitsbilder stärker in den Vordergrund gerückt werden?
Die Antiraucherkampagne hat gezeigt, dass es möglich ist, einen gesellschaftlichen Trend umzukehren. Im Hinblick auf den Diabetes brauchen wir eine ähnliche multimediale Anstrengung, um die derzeitige negative Ernährungsweise in einen positiven Trend umzukehren. Dies erfordert Aufklärung und Kampagnen in den Massenmedien, bessere Kennzeichnung der Lebensmittel und Zugang zu Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen im Sinne präventiver Aufklärung und Schulung. Diese Maßnahmen sind auch bei Patienten erforderlich, die bereits medikamentös ihren Diabetes behandeln müssen.
Welche Neuheiten gibt es im Bereich der Diabetologie?
Die Erforschung der Inkretine und ihrer Stoffwechselwirkungen hat zur Entwicklung der Inkretin-Mimetika (Exenatide und Liraglutide) und der DPP-4-Inhibitoren (Sitagliptin, Vildagliptin, und Saxagliptin) geführt. DPP-4-Inhibitoren führen über die Hemmung des Enzyms Dipeptidylpeptidase-4 zu dem verzögerten Abbau des Hormons GLP-1 und somit zu einer Erhöhung seiner Konzentration um das 2-3 fache.
Die DPP-4-Inhibitoren zeichnen sich durch eine blutzuckerdefinierte Verstärkung der Insulinsekretion bei gleichzeitiger Senkung der erhöhten Glukagonspiegel unter Vermeidung von Hypoglykämien aus. Dadurch werden Nüchternblutzucker und postprandialer Blutzucker gesenkt. Die Verzögerung der Magenentleerung bedingt eine verlängerte und verminderte Kohlenhydratanflutung nach den Mahlzeiten. Als zentraler Angriffspunkt wird das Sättigungsgefühl nach einer Mahlzeit eher aktiviert. Die Inkretin-Mimetika führen darüber hinaus zu einer deutlichen Gewichtsreduktion, im Mittel um 4-6 kg.
Herr Prof. Dr. Rosak wie sieht die Zukunft in der Diabetologie aus (auch in Zusammenhang mit Adipositas)?
Auf die Verstärkung der präventiven und nicht-pharmakologischen Maßnahmen wurde bereits hingewiesen. An den entstehenden Kosten müssen sich die Kostenträger entsprechend beteiligen. Pharmakotherapeutisch wird man um die Ablösung bzw. um den Einsatz der lang wirkenden Sulfonylharnstoffe nicht herumkommen, die sich durch Gewichtszunahme und eine hohe Hypoglykämierate auszeichnen. Die glukozentrische Sicht der Diabeteserkrankung wird abgelöst durch einen komplexeren Ansatz mit Behandlung der Glukose- und Fettstoffwechselstörung sowie des Hypertonus und der Adipositas.
Herr Prof. Dr. Rosak, danke für das Interview
Pressekontakt
Susan Röse – Freie Journalistin
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