Eine Feldstudie in der Schwarzwald-Kleinstadt Sankt Georgen brachte es jetzt zutage: Selbst unter denjenigen, die sich für kerngesund halten, hat jeder Vierte ein so genanntes metabolisches Syndrom und ist damit hochgradig gefährdet, eine schwer wiegende Herz-Kreislauf-Komplikation, also einen Herzinfarkt oder Schlaganfall, zu erleiden.
Diese Daten stellte PD Dr. Stephan Jacob, Chefarzt an der Albert-Schweitzer-Klinik in Königsfeld im Schwarzwald, auf dem wissenschaftlichen Symposium “Das metabolische Syndrom – eine postprandiale Erkrankung” Mitte April 2005 in Dresden vor. Unter dem metabolischen Syndrom verstehen Mediziner ein Krankheitsbild, das sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt und das auf eine umfassende Störung des Stoffwechsels hinweist. Dazu gehören ein erhöhter Blutdruck über 130/85 mmHg, ein erhöhter Nüchternblutzucker über 110 mg/dl, erhöhte Blutfettwerte, gemessen an den Triglyceriden, über 150 mg/dl, erniedrigte Werte des “guten”, Herz und Gefäß schützenden HDL-Cholesterins unter 50 mg/dl bei Frauen und unter 40 mg/dl bei Männern sowie ein erhöhter Taillenumfang über 88 cm bei Frauen und über 102 cm bei Männern. Sind drei dieser fünf Bestandteile auffällig, so liegt bereits ein metabolisches Syndrom vor und das Risiko für eine ernst zu nehmende Herz- und Gefäßkomplikation steigt auf das Vier- bis Sechsfache der gesunden Vergleichspopulation, warnt Jacob. Bei vier auffälligen Komponenten steigt das Risiko gar auf das 24-fache.
Das metabolische Syndrom gilt als einer der wesentlichen Wegbereiter eines manifesten Diabetes mellitus. Die Zuckerkrankheit wurde Jahre lang als reine Alterserscheinung angesehen. Die Schwarzwald-Daten zeigen zwar auch eine Häufung des metabolischen Syndroms mit zunehmendem Lebensalter. “Besorgnis erregender ist aber der nicht zu übersehende Zusammenhang von Übergewicht und metabolischem Syndrom”, so Jacob. Wachsendes Übergewicht führt demnach zu einer weitaus stärkeren Gefährdung als der Alterungsprozess. So haben fast zwei Drittel der Übergewichtigen 50-jährigen mit einem Body-Mass-Index über 30 kg/m² bereits ein metabolisches Syndrom, auch wenn sie von ihrer Herz-Kreislauf-Gefährdung keinerlei Ahnung haben.
Früherkennung tut Not, denn wenn bereits ein manifester Diabetes mellitus vorliegt, ist die Herzinfarktgefahr genauso groß wie bei Patienten, die schon einen Infarkt überlebt haben. Für die frühzeitige Erkennung einer Gefährdung greift die alleinige Nüchternblutzuckermessung viel zu kurz, betont der italienische Diabetologe Prof. Antonio Ceriello aus Udine. Weitaus aussagekräftiger ist ein so genannter Zuckerbelastungstest mit 75 g Traubenzucker und Blutzuckermessung nach zwei Stunden. Dem Blutzuckeranstieg unmittelbar nach den Mahlzeiten wird nämlich eine wichtige Schrittmacherfunktion hin zu einem manifesten Diabetes und für die Entwicklung einer Herz-Gefäß-Erkrankung zugeschrieben. Offenbar wirken die nach den Mahlzeiten kurzzeitig stark erhöhten Blutzuckerwerte – die so genannten postprandialen Blutzuckerspitzen – direkt schädigend auf die Blutgefäße. Und nach dem Essen ist vor dem Essen: “Da wir meist viele kleine und größere Snacks über den Tag verteilt zu uns nehmen, hält der postprandiale Zustand mehr oder weniger den ganzen Tag und sogar bis spät in die Nacht an”, so Prof. Hanefeld vom Zentrum für Klinische Studien in Dresden.